Bürgerhaus
heute - und früher?
Als ob es
das Selbstverständlichste von der Welt wäre, weihen wir heute das Bürgerhaus
hier in Möglingen ein, die Halle für die ganze Gemeinde und Veranstaltungen
mancherlei Art und dazuhin, wie mir versichert wurde, voll und ganz aus
Gemeindemitteln bezahlt! Ist das wirklich alles so selbstverständlich? Wäre
das 1950 oder 1930 oder gar noch weiter zurück auch schon 1910 möglich
gewesen? Ich glaube, es ist durchaus erlaubt, einen kleinen Rückblick zu wagen,
zumal der Tagesordnungspunkt Gemeindehalle schon seit bald 100 Jahren in den
Gemeinderatsprotokollen durchaus kein Fremdwort ist!
1892 z.B. zeigte es sich zum wiederholten Male, dass Möglingen über
keinerlei geeignete Räume für die Jugend verfügte und sich die berechtigten
Klagen häuften, dass "junge Leute während des Nachmittags und Abends bis
in die Nacht hinein, namentlich an Sonn- und Feiertagen, durch truppenweisen
unruhigen Aufenthalt, Singen, Musizieren und Tanzen auf den öffentlichen
Straßen und Plätzen inner- und außerhalb Orts, so namentlich auf der ziemlich
frequenten Ludwigsburger Straße, die wünschenswerte Ruhe und den freien
Verkehr für Fuhrwerke und Fußgänger beeinträchtigen und die Passanten
allerlei Belästigungen und Gefahren ausgesetzt sind“.
Der Vorstand stellt deshalb den Antrag, ein Ortsstatut zu erlassen, dass
„das Musizieren und Tanzen auf öffentlichen Plätzen verboten sei" und
"die jungen Leute bei Vermeidung von Strafe, welche die in dieser Beziehung
verantwortlichen Eltern und Lehrmeister träfen, nach dem Läuten der
Abendglocke sich sofort nach Hause zu begeben haben“. Solcherlei Verbote
lösten das Problem natürlich nicht. Immerhin gelang es dem Turnverein knapp 20
Jahre später, 1910, ein auch für jugendlichen Umtrieb geeignetes Haus
zu errichten.
Damals wurde durch Bauwerkmeister Wilhelm Batz aus Eglosheim für 4
500 Mark im Turnhallenweg eine zwar einfach gehaltene, doch in ihren Maßen
von 8 auf 14 m recht großzügige Turnhalle erstellt. In Möglingen stand
also nun ein – wenngleich eng zweckgebundenes - Bürgerhaus. Trotz aller
Verdienste liefen aber dem Turnverein die Kosten wohl davon, so dass die Halle
1919 für 3 200 Mark in Gemeindeeigentum überging. Für die nicht übernommenen
restlichen 1
300 Mark gegenüber dem ursprünglichen Preis sollte der Turnverein bis 1969 ein
unentgeltliches Benutzungsrecht erhalten. Die Gemeinde aber konnte das Gebäude
auch anderweitig nutzen. Das ging freilich nicht ganz so glatt ab. So gingen
bald Klagen ein, dass Umstuhlungen nicht funktionierten, dass die
Bedarfsmeldungen nicht mindestens vier Wochen vor Termin eingingen u.a. Im Jahr
1925 wurde eine Bitte des CVJM, die Halle an 1-2 Abenden pro Woche benutzen zu
dürfen rundweg abgelehnt, weil der Turnverein, der ja noch ein Mitspracherecht
besaß, offen eingestand, turnerische Übungen beim CVJM seien ein
Konkurrenzunternehmen, und das sehe man ja nun in der ursprünglich eigenen
Halle nicht gerade gern.
Trotz des
Erreichten war man also von einer echten Gemeinschaftsbleibe noch weit entfernt.
Es nimmt da nicht wunder, dass im Frühjahr 1933 dann der Singverein die anderen
örtlichen Vereine zu einer Sitzung ins Rathaus einlud - weil eben ein anderer
geeigneter Saal fehlte - und ein neues Gemeinschaftsprojekt empfahl!
Doch
erbrachte der Vorstoß des Singvereins kein Ergebnis. Im Gegenteil, mit
Kriegsbeginn verwandelte sich die inzwischen ja schon ältere Turnhalle nach
notdürftigen Einbauten durch die Gemeindeverwaltung in ein kleines
Kriegsgefangenenlager. Selbst der Turnverein war nun vertrieben und musste mit
einem Schuppen vorlieb nehmen. Dass hier einmal pro Woche bei Kerzenlicht geübt
werden konnte, mag heute romantisch erscheinen. Es entsprach aber nicht einmal
dem damals - 1942 - kriegsüblichen.
Jedenfalls musste der Bürgermeister auf eine Klage der staatlichen
Sportaufsicht hin gegenüber dem Herrn Landrat in Ludwigsburg ausführlich
begründen, warum die Gefangenen nicht verlegt und die Halle nicht freigemacht
werden könne. Und es blieb schlimm, zogen später notgedrungen hier Vertriebene
und Flüchtlinge ein.
Als dann im Frühjahr 1947 endlich das Gebäude für Vereinszwecke wieder
frei wurde, da fehlten die Ofenrohre für die Heizung, durchs Dach regnete es
herein, und gewisse Türen zu gewissen Orten waren nicht mehr zu schließen.
Letzteres war freilich übertrieben. Denn bereits im Februar des gleichen Jahres
1947 hatte in dieser Halle eine nicht angemeldete Faschingsveranstaltung
stattgefunden, die der die Gemeindeverwaltung gleichwohl stolze 21 Reichsmark
und 60 Pfennig an Vergnügungssteuer einbrachten! Möglingen besaß also doch
eine Gemeindehalle, aus der sogar Steuermittel flossen! Freilich über den Stand
von 1910/1919 war man immer noch nicht hinausgekommen.
Unter dem Motto "Großes Werk gedeiht nur durch Einigkeit"
riefen daher 1948 Bürgermeister Hönig und wiederum die Vorstände des Turn-,
des Sing- und des Hausfrauenvereins, sodann des Bauernverbandes und des
Jungbauernverbandes zu einem Um- und Ausbau der bestehenden Halle auf, die für
größere Veranstaltungen aller Art geeignet sein sollte, also für Familien-
und Parteiversammlungen ebenso wie für kulturelle Aktivitäten, z. B. damals
ganz modern - Kinovorführungen! 1949 wurde in der Tat ans Werk gegangen, und
der Anbau an die alte Halle sollte 25 m lang, 14 breit und 5 bis 6 m hoch
werden. Geld war allerdings sehr knapp: Bürgermeister und Vereine baten daher
um Spenden in jeder Höhe und priesen dazu die Ausgabe von Bausteinen an, die
über 50 DM lauteten und ab 1952 wieder ausgelost werden sollten. Da ja auch die
Schuljugend im neuen Hause turnen sollte, wurde außerdem noch vor dem ersten
Spatenstich das Kultministerium um eine Beihilfe aus Totomitteln angegangen. Die
Jugend, so schrieb der Bürgermeister nach Stuttgart, müsse, auch wenn es
regnet, die Möglichkeit zu körperlicher und kultureller Betätigung haben;
eine Gemeinde mit 2000 Einwohnern ohne Wald und ohne Industrie habe aber keine
Einnahmen und könne daher von den Gesamtkosten in Höhe von 45 000 DM
einschließlich aller Spenden höchstens 25 000 DM aufbringen.
Doch kam es
wieder einmal ganz anders als geplant. Auf den 15. Oktober 1949 konnte
der Bürgermeister die freiwilligen Helfer zum Richtschmaus ins Gasthaus
Rose einladen. Dieser Richtschmaus galt der wieder ausgebauten alten Halle und
zugleich der ganz neu und für sich erstellten Gemeindehalle, die am Sonntag,
dem 12. Februar 1950 festlich eingeweiht wurde. Für 1 DM Eintritt war
man dabei. Musikverein und Singverein, Turnverein und Landjugend wetteiferten
mit großem Programm, das mit Gluck und Beethoven einsetzte! Wie sich doch die
Bilder gleichen!
Möglingen
schien wirklich am Ziele zu sein - und der Bürgermeister sprach das stolze
Wort: "unsere Kinder und Kindeskinder werden uns für dieses Werk noch in
Jahrzehnten dankbar sein!“ Das ist freilich so nicht eingetreten: Nach
wiederum fast 40 Jahren und beinahe 80 Jahre nach dem Bau der ersten Halle hat
sich die Welt erneut verändert. Wenn Möglingen inzwischen über 10 000
Einwohner zählt, ist auch das Non plus Ultra des Jahres 1950 nur ein kleines
Glied in der Kette der Gemeinschaftsbauten und es wäre gleich eine ganze Reihe
von Bauten zu nennen, die in der Zwischenzeit errichtet ähnlichen Zwecken
dienen. Es geht also gar nicht mehr nur um ein Gebäude. Aber wenn wir die Feier
1950 mit der kommenden Festwoche vergleichen, spüren wir doch eine
durchgehende, bleibende Linie: Der gleiche Gemeingeist, ja die gleichen
Vereinigungen von damals feiern das Gemeinsame - eben Möglingen.
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