Johannes Hartlieb
Jüngste Forschungen des Heimatvereins Möglingen e. V. zur Ortsgeschichte haben sensationelle Ergebnisse erbracht. Der um 1400 in Möglingen geborene
Johannes Hartlieb
war ein studierter Arzt, gelehrter Rat, Diplomat, Hofdichter und frühhumanistischer Übersetzer am Hof der Wittelsbacher in München.
Er hat ein großes und bedeutendes Werk als Übersetzer lateinischer Handschriften ins Deutsche hinterlassen und war als Schriftsteller von Werken der Pharmazie, Medizin, Astronomie und der Astrologie anerkannt. Insbesondere wertvolle Handschriften und die frühen Drucke seiner Romane sind weltweit noch vorhanden.
Die Familie Hertliep / Hartlieb war in Möglingen von ca. 1304 bis zum Dreißigjährigen Krieg ansässig, sie erscheinen in allen erhaltenen Schatzungen ( 1448 und 1471 ) als württembergische Hofmaier, Schultheiße und Müller, waren also über nahezu drei Jahrhunderte in Möglingen.
Über die weibliche Linie stammen viele alte Möglinger von den Hartliebs ab.
Wir sind stolz auf diesen grossen international bekannten Sohn der Gemeinde Möglingen und planen sein Lebenswerk und Schaffen einem breiten Publikum und der Presse bekanntzumachen.
Sammlung von Links zu seinen in verschiedenen Bibliotheken vorhandenen Werken
Pressebericht 27.03.2018 in der LKZ: [hier] Pressebericht 16.04.2018 in den Stuttgarter Nachrichten: [hier]
Hie gut Württemberg vom 15.12.2018:
seine Werke: [mehr]
Gemeindebrief ev. Kirche 2/2018 [mehr]
Ausstellung über Johannes Hartlieb im Rathaus Möglingen vom 8.7. bis 8.8.2018 [Bilder]
Möglinger Nachrichten in wöchentlicher Folge: alle Beiträge
06.10.2018: Informationen über Johannes Hartlieb in
der neuen Bücherei
In der neuen Bücherei hatte der Heimatverein einen kleinen
Informationsstand aufgebaut.
Johannes Hartlieb wurde um 1400 in Möglingen geboren,
lebte und wirkte aber in München. Er war studierter Arzt, Berater seines
Herzogs, Übersetzer vieler Schriften von Latein ins deutsche und Kundiger in
vielen Wissensgebieten seiner Zeit. In der Möglinger Bücherei sind Nachdrucke
seines Kräuterbuchs und anderer Werke vorhanden.
Johannes Hartlieb –
Leben und Wirken
Möglingen ist der Herkunftsort einer in der Germanistik und
der Medizin und Pharmazie des Spätmittelalters herausragenden Persönlichkeit
was lange unentdeckt geblieben war.
Johannes Hartlieb wurde um 1400 in Möglingen als Sohn des
Schultheißen Hans Hartlieb geboren. Mit großer Wahrscheinlichkeit besuchte er
die Lateinschule in Markgröningen, weil diese die einzige Schule in der Umgebung
war und er nur hier Latein lernen konnte. Lehrer war zu der Zeit dort Auberlin
Volland. Johannes
Hartlieb wuchs in friedlichen Zeiten auf.
Graf Eberhard III, genannt der Milde, regierte seit 1392 bis 1417 und führte
eine umsichtige Politik der Bündnisse, sein Hauptaugenmerk galt der
Grafschaft Mömpelgard (heute
Ludwigsburgs Partnerstadt Montbéliard in Frankreich), die er durch Heirat
erworben hatte.
In Markgröningen kam
Hartlieb vermutlich in Kontakt mit durchreisenden Bayern vom Hofe des Herzogs
Ludwig VII. Eine weitere, wenn auch noch neue aber unbelegte These ist, dass zu der Familie des
herzoglichen Kellermeisters Werner Hartlieb in Neuburg / Donau
eine verwandtschaftliche Beziehung
bestand.
Nach 1420
war Johannes Hartlieb in den Diensten von Ludwig VII. von Bayern-
Ingolstadt (dem Bruder der frz. Königin Isabel von Bayern), seine Teilnahme
am Bayerischen Krieg (1420-22) und
den Hussitenkriegen (1419-36) wird in einem Brief
an Papst Eugen IV. erwähnt. 1430 lebte Johannes Hartlieb im herzoglichen Schloss
in Neuburg an der Donau als Lehrer des
(illegitimen) Sohns Ludwig VII, er wird Autor seines Erstlingswerkes der
„Kunst der Gedächtnüsz“. 1432 vertritt er
Herzog Ludwig VII bei einer Femesache in Nürnberg.
Hartlieb ist 1433
und 1434 wohl überwiegend in Salzburg, nachgewiesen durch die auf seinen Namen
ausgestellte Urkunde zum Gold- und Silberbergbau vom 11.4.1434
sowie einer dokumentierten
Ernennung zum Laienrichter im Mordprozess
gegen Hans Talhoffer.
Für die Jahre 1435 und 1436 sind noch keine gesicherten Belege
gefunden worden, man vermutet dass Hartlieb zu der Zeit in Wien studiert hat.
1437 wird er in Ingolstadt als Pfarrer von St. Moritz genannt. Er
ließ sich jedoch nicht zum Priester weihen, sondern setzte sein Studium
in Wien und Padua fort und wurde am 11.Mai 1439 zum Doktor der Medizin
promoviert. In den erhaltenen Annalen der Universität
Padua steht „Johannes Hartliepp de
Meglingen , Konstanzer Diözese“. Dadurch sind wir so sicher, dass er von
hier stammte, denn es gab zu der Zeit nur ein einziges Möglingen in der
Diözese
Konstanz.
Universitäten gab es im heutigen Deutschland nur wenige:
Heidelberg wurde 1386 gegründet, Würzburg 1402, Freiburg 1457, Ingolstadt 1472,
Tübingen 1477. Die große Uni Wien entstand schon 1365 und die damals noch zu
Österreich gehörende in Padua 1222. Padua war im 15. Jahrhundert das führende
Zentrum in der Medizin, es waren viele „ausländische“ Studenten immatrikuliert.
Hartlieb war auf
die Promotion an einer Eliteuniversität
zeitlebens stolz und führte ein Siegel
Hertliepp Doctor 1439.
Hartlieb war ab 1440
bis zu seinem Tode in München ansässig und Berater und Leibarzt
von Herzog Albrecht III. von Bayern-München und dessen Sohn. Seine
Wertschätzung als Arzt muss außerordentlich gewesen sein , denn schon
1442 schenkte Herzog Albrecht dem Hartlieb ein Anwesen in der Judengasse. 1444
stiftete Hartlieb den Bau einer
Marienkapelle in der ehemaligen
Synagoge, die bis 1805 vom Kloster Andechs verwaltet wurde und die als
Gruftkapelle „ Zu der newen Stifft und Unser Lieben Frawen Kapellen“
weithin bekannt war.
In den Urkunden wird Hartlieb als „Lerer der Erzney“ und
„hochverehrter Ratmaister“ genannt der
die erste bekannte Apotheke in München betrieb, wurde
war als medizinische Koryphäe anerkannt
und auch von anderen Fürsten und Herren
in Anspruch genommen, lt. F. Speta 1980, von nicht weniger als 63
hochgestellten Persönlichkeiten.
Dr. Johannes Hartlieb war der
berühmteste Arzt
in München zu seiner Zeit.
Zudem schätzte man Hartlieb auch als
Literaten, wodurch er heute noch bekannt ist und die Medävistik (die Germanistik
des Mittelalters) über die
Jahrhunderte hinweg beschäftigt und Dutzenden von angehenden Wissenschaftlern
Stoff zur Doktorarbeit geboten hat
und damit zur Promotion verholfen.
Johannes Hartlieb beriet
den Herzog Albrecht III,
genannt der Fromme und dessen ebenfalls sehr religiöse
Gattin Anna von Braunschweig
auch in Fragen der bayerischen Klosterreform und
Hartlieb traf sich
wiederholt mit hohen geistlichen Würdenträgern, auch mit dem bis heute
wohlbekannten Nikolaus von Kues .
Er war auch Gesandter in
diplomatischer Mission u.a. nach
Heidelberg , Böhmen und
Ferrara (Italien) und der Ruf
Hartliebs als berühmten Arzt verhilft ihm zu vermögenden und
einflussreichen Patienten aus Adel und Patriziat.
1444 heiratet
Hartlieb die Sybilla
Neufarer, eine junge Witwe, die einen Sohn Lienhart
hat und
wohl eine illegitime Tochter des Herzogs war, ob
jedoch aus einer Verbindung mit der in der Literatur bis heute berühmten
Baderstochter Agnes Bernauer, welche
1435 in Straubing in der Donau ertränkt wurde , ist
zweifelhaft, denn Herzog Albrecht soll
die Bernauerin erst 1428 kennengelernt haben. In der Stadtchronik von
München (H. Stahleder, 1995)
erscheint Dr. Johannes Hartlieb
zwischen 1442 und 1456 mit insgesamt 7 Einträgen, was recht ungewöhnlich
ist.
Seine literarischen
Werke sind zum großen Teil Aufträge herzoglicher Auftraggeber:
So erhielt er in Wien den Auftrag das Buch
De Amore zu übersetzen. Dieses Buch
von
Andreas
Capellanus: Über
die Liebe. = De
amore wird
als ein Lehrbuch des Mittelalters über Sexualität, Erotik und die Beziehungen
der Geschlechter angesehen.
Dieses Buch fand eine breite Leserschaft zu seiner Zeit.
Das
Mondwahrsagebuch
verfasste er im Auftrag von
Ritter Hans Kuchler aus Salzburg
und soll nach drei Textzeugen
zwischen 1433 und 1435 in Wien bzw. Österreich entstanden sein.
Vieler seiner Schriften zeugen von seinem Streben die Menschen
aufzuklären und zum Glauben zurückzuführen, so ist sein bis heute vorhandenes
und berühmtes Buch der verbotenen Künste eine durchgängige Warnung an den
Markgrafen Johann
von Brandenburg-Kulmbach
seine Untertanen als
Christenmenschen vor den Versuchungen des Teufels zu bewahren.
In dem um 1456 entstandenen
Dialogus miraculorum , einer breit überlieferten und umfangreichen Sammlung
geistlicher Exempel , werden in
einem stilisierten Gespräch
zwischen einem Mönch und einem Novizen auf religiöse Fragen eingegangen
und Antworten und Ratschläge
gegeben.
In dem 1457 geschaffenen Werk der
Brandanlegende, welches die
abenteuerliche siebenjährige Reise des
irischen Heiligen St. Brandan beschreibt, werden Glaubensfragen
und Etappen dargelegt, welche für die Menschen der Zeit
Richtschnur zur religiösen Selbstfindung waren.
Auch in dem bis
heute populären Alexanderroman von
1454, ein Bestseller in der Zeit des
frühen Buchdrucks, wird der
Lebensweg von Alexander dem Großen und seine
Lebensetappen
religiös-moralisch erläutert. Er ist wohl der erste Bestseller in der
deutschen Sprache zu Beginn des Buchdrucks neben der Gutenbergbibel.
Ein
Bestseller von Johannes Hartlieb noch in
unserer Zeit ist zweifelsohne
„Das Buch aller
verbotenen Künste“ aus
dem Jahr 1456, derzeit jedoch
leider nicht im Buchhandel erhältlich und deshalb antiquarisch zu
Höchstpreisen gehandelt. Das Buch Hartliebs
gilt als die wichtigste spätmittelalterliche Quelle über die Reste des
Heidentums in Form ritueller Praktiken. Markgraf
Johann von Brandenburg-Kulmbach hatte dieses Werk in Auftrag gegeben.
Das
Kräuterbuch von Johannes Hartlieb ist
als wissenschaftliches und populäres Werk
anzusehen. Er stellt 170
Kräuter in ihrer Herkunft und
medizinischen Nutzung vor mit dazu gehörigem Bild. In der Präsentation war das
im 15. Jahrhundert neu. Die Bilder sind nicht immer fotografisch getreu, so wird
die Hauswurz als Pflanze auf dem Dach mit Wurzeln unter dem Haus dargestellt. In
der Folge wurde es mehrfach abgeschrieben und dadurch leicht verändert. Heute
vermittelt uns das Kräuterbuch, welches Wissen schon im 15. Jahrhundert bekannt
war und welche Ratschläge vielleicht noch heute gültig sind und
mit dem Arzt oder Apotheker des Vertrauens
besprochen werden können. Der
lange Zeitraum zwischen dem Spätmittelalter und der
heutigen Zeit zeigt uns was „ nachhaltig“ an Wissen Bestand hat und
worüber wir nachdenken sollten.
Sein Buch Chiromantie
beschreibt in Bildern die Kunst des „aus der Hand lesen“
Ein gynäkologisch- sexualkundliches Kompendium, die
Secreta mulierum ist bislang nur in
einer Dissertation von 1984 erforscht worden.
Das Vermächtnis von
Johannes Hartlieb
Vor 550 Jahren,
am 18.Mai 1468 starb Johannes
Hartlieb in München, hochangesehen.
Johannes Hartlieb sollte man als Zeitzeugen seiner Epoche schätzen, aus der Zeit
noch vor Kolumbus und zwei Generationen vor Martin Luther. Er wird zu Recht als
Vorreiter und Klassiker in der germanistischen und medizinhistorischen
Fachliteratur geschätzt, sein Buch aller verbotenen Künste ist
heute sicher noch weit populärer als zu der Erstehungszeit.