Ortsbeschreibung
des Pfarrdorfes Möglingen (1946)
Das
Pfarrdorf Möglingen, im Jahre 1938 1500 Einwohner zählend, liegt in einer
geschützten seichten Mulde, mitten im Herzen der so fruchtbaren Gegend des
"langen Feldes", von dem der Bauer sagt: "Zwei Stunden um den
Asperg ist das Paradies", Noch bis in die jetzige Zeit herein hat es, trotz
der Nachbarschaft von Ludwigsburg (6 km, 40000 Einw.) und Stuttgart (15 km,
400000 Einw.), Kornwestheim (6 km, 25000 Einw.) und den kleineren Landstädtchen
Markgröningen (5 km) und Asperg (2,5 km), seinen bäuerlichen Charakter
bewahrt.
Seine
geographische Lage ist 48° 53' nördlicher Breite und 9° 8' östlicher
Länge, 295 m ü. d. M. Der Ort ist mit trefflichem Quellwasser versorgt aus den
ergiebigen Quellen des Leudelsbaches, der sich in die Enz ergießt. - Der
Asperg, 356 m ü. d. M., ist 2,6 km entfernt. –
Das
Klima ist milder Art und erlaubt noch an den Südhängen Weinbau. Auch
der Obstbau ist stark verbreitet. Jahresniederschlag 650 mm.
Seine
Früh- und Heimatgeschichte ist eng verbunden mit der Geschichte des Fürstensitzes
Hohen-Asperg (mit dem Fürstengrab Klein-Aspergle) und
des Grafensitzes in Markgröningen und später mit dem nicht immer
erfreulichen Hofleben in den beiden benachbarten Residenzen. Die Jagdausflüge
von Stuttgart und von Ludwigsburg aus, die zum Wehklagen der Bauern über unsere
Markung führten, sind hier zu erwähnen. Vieles hat sich in den vergangenen
Jahrhunderten in unserer Heimat abgespielt und ereignet. Ein Stamm von
begüterten (davon Ortsneckname "Hoba") schwäbischen Bauern,
die ihre persönliche Freiheit schätzten, hat sich hier erhalten. So ist bei
uns auch kein altes Rittergeschlecht anzutreffen, wie in den umliegenden
Dörfern. Mit aller Energie wehrten sich die Überlebenden des 30jährigen
Krieges (32 Bürger) gegen die Behandlung als Leibeigene, Manches wird uns noch
in alten Urkunden erzählt, so z. B. von der heiteren Unterhaltung des
unerkannten und doch erkannten Herzog Ulrichs als Landesvertriebener in dem
hiesigen Gasthaus zum "Lamm" (siehe die Gedenktafel an dem erwähnten
Gasthaus), oder von der Anwesenheit des berühmten Feldherrn Georg v. Frundsberg
und des Malers Albrecht Dürer hier im Ort, anläßlich der Belagerung des
Hohen-Aspergs im Jahre 1519. Bekannt ist ja Dürers ergötzliche
Federzeichnung vom Lager der Landsknechte bei der Möglinger Kirche.
Manche
alte Gassen-, Häuser- und Flurbezeichnungen leben noch fort in dem Munde
der Bewohner, erinnern an etwas Sagenhaftes und zwingen zum Nachdenken. Erwähnt
seien nur die Namen: "Jägergasse", "Geistling",
"Rosenstraße", "Spitalhof", "Werra" oder die
Flurnamen:
„Goldäcker“,
„Silberschelle“, „Eselspfad“, „Luge“, „Schänzle“, „Brühl“
und der „Schlossgarten“, der heute noch ein umhegter
Garten an der Straße nach Ludwigsburg ist.
Das
Dorf liegt, bezeichnend für eine frühalemannische Gründung, als Haufendorf
rings um die Leudelsbachquelle. Das Ortswappen besteht aus einem Rad und einer
kreuzweis übereinanderstehenden Schaufel und Hacke.
Die
tausendiährige Kirche, mit Doppelkreuz auf der Turmspitze, steht auf
halber Höhe am südlichen Hang und ist bis heute noch an den wuchtigen
Umfassungsmauern als einstige Zufluchtsstätte erkennbar. (Siehe
Kirchenbeschreibung). In der Nähe der Kirche ist der im Jahre 1831 neu
angelegte Friedhof. Neben der Kirche steht eine große Zehntscheuer mit der
Jahreszahl 1545 und dem Stuttgarter Spitalwappen am südlichen Tor.
Eine
Reihe von Lehenshöfen, deren Gebäude zum Teil noch vorhanden bzw.
umgebaut sind, waren hier im Ort. So der Spitalhof innerhalb des einst durchweg
ummauerten Kirchhofgeländes, der, wie die Kirche selbst, dem Stuttgarter Spital
gehörte; fünf Kellerei – Höfe, die unter dem herzoglichen Keller in
Markgröningen standen und den Platz folgender Gebäude einnahmen:
1.
Nr. 96 und 97,
2.
Nr. 114-116,
3.
Nr. . 107-109,
4.
Nr. 150 und
5.
Nr. 154.
Ferner
sind zu nennen zwei Schorndorfer - Höfe (heute die Häuser Nr. 14 und 195), die
ihren Fruchtgült nach Schorndorf lieferten; der Hof dem Baron von Kniestätt in
Heutingsheim gehörig (Haus Nr. 160); der Adelberger Hof, ein Stuttgarter
Stiftslehen (Haus Nr. 12 und 18); der Schneller- oder Fröhlichshof, der zur
Frühmeßpfründe Möglingen gehörte (Häuser Nr. 68 und 69); der Geradstetter
Hof (Häuser Nr. 90 und 91); der Herters-Hof (Häuser I Nr. 164 und 165).
Zu
erwähnen wäre dann noch das Jägerhaus (Nr. 131) und die Mühle (am
Leudelsbach), die schon länger ihren Betrieb eingestellt hat.
Fünf Gastwirtschaften, die "Rose",
das "Lamm", die "Linde", die "Krone" und "Zum
goldenen Faß" bieten dem Fremden einen herzlichen Willkomm.
Von den evangelischen Verbänden wurde hier auch ein Vereinshaus gebaut (1912).
das neben der Kirche die Heimat des religiösen Gemeindelebens in Abenden und
Feiern geworden ist. Das rasche Wachstum der
letzten Jahre verdankt unser Dorf vor allem dem Eisenbahnanschluß an die
Nebenlinie Ludwigsburg - Markgröningen im Jahre 1916. Im Jahre 1936
wurde auch die Reichsautobahn, mit einer Einfahrt von der Ludwigsburger
Straße her, durch unsere Markung gebaut. Durch diese zwei Faktoren, die Nähe
der beiden Großstädte und die durch Möglingen führenden Reichsstraßen hat
es die denkbar günstigste Verkehrslage. So hat sich hier auch eine Schuh- und
Schäftefabrik (Albert Kleinheinz) entwickelt, in deren zwei Fabrikgebäuden
viele Arbeiter von Möglingen und seiner Umgebung Beschäftigung und Verdienst
finden.
1906 erhielt die Gemeinde eine aus eigener Quelle gespeiste Wasserleitung
und 1912 elektrischen Anschluß an das Kraftwerk Alt-Württemberg.
Die größte Hochspannungsleitung Europas, erbaut 1929, führt durch die
Markung. Riesige eiserne Gittermasten, an welchen die 6 kupfernen Seile von 42
mm Durchmesser befestigt sind, stehen in Abständen von 300 m. 220000 Volt
werden von den Alpen über Möglingen bis nach Köln in das Rheinland
verschickt.
Die Gemeindemarkung im Umfange von 3150 Morgen (994 Hektar) ist
fast ausschließlich im Besitz von mittleren und kleineren Landwirten. Waldbesitz
ist keiner mehr vorhanden. Der größte Teil wird als Ackerland genutzt
neben 200 Morgen Wiesen und 15 Morgen Weinbergen (vor 100 Jahren erstreckte sich
der Weinbau noch auf 100 Morgen). Der diluviale Lößlehm und auch die gute
Absatzmöglichkeit gestatten hier einen stärkeren Gemüsebau. In der Hauptsache
werden Zwiebel, Gelberüben, Erdbeeren und Spinat feldmäßig angebaut. Zum
Ausgleich der spärlichen Wiesen (Verhältnis 1:15), die in dem Furtbach- und
Leudelsbachtal sich befinden, wird ein starker Feldfutterbau unterhalten. Von
den Hackfrüchten werden Zuckerrüben neben Kartoffeln in größerem Umfange
angebaut. Der Zichorienanbau, der mit der Gründung der Franck'schen
Zichorienfabrik stark einsetzte, ist sehr zurückgegangen.
So
ist Möglingen jetzt noch ein stiller Winkel in der geschichtlich stark bewegten
Nachbarschaft. Es wird mit seinem dörflichen Charakter, den reizvollen alten,
stattlichen Fachwerkhäusern und der bedeutungsvollen Kirche ein Anziehungspunkt
für viele Fremde. Selten findet man ja noch eine solch gut erhaltene
Wehrkirche. Andere Dörfer haben schon längst die Umfassungsmauern
beseitigt und damit das schöne Dorfbild zerstört.
Zuletzt
dürfen wir auch noch erwähnen die wunderbar gnädige Bewahrung dieses
stadtnahen Dörfchens durch all die 6 Kriegsjahre (1939 bis 1945) hindurch.