Musterungslisten in Württemberg
Bereits für 1516, das Jahr in dem die ersten namentlichen Musterungslisten
vorliegen, gibt es eine Anweisung zur Durchführung der Musterung. Dabei wird
festgelegt, dass auf einen ersten "Zug" die kriegserfahrenen,
geschicktesten und ehrlichsten gewählt werden. Diese waren bestimmt um gegen
die Verwandten des von Herzog Ulrich ermordeten Hans von Hutten in den Krieg zu
ziehen. Alle anderen, die zuhause blieben, sollten nur gemustert werden. So
unterscheidet z.B. die Lorcher Liste von 1516 in einen ersten Zug, wobei die
Personen hier namentlich genannt sind und eine Musterung, die die Personen nur
summarisch angibt. Wer keine Rüstung hatte, aber genügend Vermögen, dem wurde
auferlegt sich auszurüsten. Wer tauglich war, aber kein Vermögen hatte, den
sollten Ältere oder Witwen ausrüsten.
1540 erließ Herzog Ulrich eine abgeänderte Musterungsinstruktion. Das
Prozedere sah vor, dass vier oder fünf herzogliche Verordnete sich in die
Amtsstädte begeben und dort zusammen mit dem Amtleuten und dem Stadtgericht die
Steuerbücher besichtigten. Den Vermögenden sollten anhand der Bücher
Waffen zugeteilt werden, bzw. es sollte in Erfahrung gebracht werden, welche
Waffen die zu Musternden bereits besaßen. Danach waren die Dorfschultheißen
und ein Teil der Dorfgerichte in die Amtsstadt zu bestellen, um mit ihnen,
gleichfalls aus den Steuerbüchern, die Listen zu erstellen. Von einer
eigentlichen Musterung, also einer Besichtigung der Waffen des gesamten Amtes
auf einen festgelegten Tag, ist keine Rede. Statt dessen wurde den Amtleuten und
Schultheißen aufgetragen nachzusehen, dass die Gemusterten die Waffen auch tatsächlich
besaßen und in Ordnung hielten.
Für die Musterung im Jahre 1553 wurde das Prozedere bereits abgeändert. Auf
Anraten der herzoglichen Räte wurde eine Bestellung von Verordneten - wie 1540
- abgeschafft, da dies zu teuer sei und die Amtleute besser in ihrem Ämtern
Bescheid wüssten. Statt dessen sollten die Amtleute die Listen aus den Steuerbüchern
selbstständig erstellen und nach Tübingen schicken. Dort waren auf den 28.
Februar vier Verordnete bestellt, die die Besichtigung der Waffen in den Ämtern
vornehmen sollten. Die Musterregister müssen aber bereits vorgelegen haben. So
datiert das Begleitschreiben der Schorndorfer Listen vom 17. Februar. Die
Verordneten gingen dann ab Anfang März 1553 von Amt zu Amt und besichtigten
dort die Waffen. Um kriegsfähige Fähnlein zu bilden wurden einige Ämter
zusammengefasst, so z.B. Backnang, Murrhardt, Waiblingen und Winnenden.
Dieses Musterungsverfahren machte eine Erstellung von zwei Musterungslisten
notwendig, die z.B. für Schorndorf auch erhalten sind. Die erste Liste vom
Februar 1553 wurde von den Amtleuten erstellt. Sie führt die Gemusterten nach
Orten sortiert auf und nimmt eine Unterscheidung nach kriegserfahren -
unerfahren vor. Allerdings werden keine Hauptleute genannt, wie auch eine
Unterteilung nach Wahlen unterbleibt. Dies nahm erst der herzogliche Verordnete
in einer zweiten Liste vor, die außerdem kleine Abweichungen in der Zahl der
genannten Personen enthält.
Für die Jahre 1558 bis 1572 liegen noch keine brauchbaren Beschreibungen des
Musterverfahrens vor.
Konkreter Anlass für die Musterung im Jahre 1583 waren die Streitigkeiten um
die Besetzung des Kölner Bischofstuhls. Herzog Ludwig, kriegsscheu und
vorsichtig, wollte kein Aufsehen erregen. Der bislang leider nicht aufgefundene
Befehl wies daher vermutlich an, die Besichtigung der Waffen im Geheimen
abzuhalten, wie es die Begleitschreiben aus Schorndorf, Lorch und Adelberg
nahelegen. So hatte der Schorndorfer Vogt die dortigen Listen zwar
abgeschrieben, die Besichtigung eines Teils der Waffen, von Haus zu Haus, war
aber bereits im November 1582 erfolgt. Die Liste von 1583/84 gibt aber noch
einige Rätsel auf, so liegt 1584 für Schorndorf merkwürdigerweise eine
weitere vollständige Liste vor. In dem Begleitschreiben zu dieser Liste gibt
der Vogt für einzelne Dörfer an, wie viele Männer nicht erfasst sind. So
waren zwar in einigen Dörfern fast alle Männer gewählt, in einigen anderen
war aber ein Drittel oder ein Viertel der Mannschaft nicht verzeichnet worden.
Da aus Backnang ähnliches bekannt ist, muss es im herzoglichen Befehl einen
Passus gegeben haben, der bestimmte diejenigen, die nicht gemustert wurden
zumindest zahlenmäßig zu erfassen.
Im Jahre 1592 gab es erneut Kriegsgefahr wegen der Besetzung des Straßburger
Bischofsstuhls, die aber lediglich zur verstärkten Besetzung der Landesgrenzen
führte. Es wurden daher nicht alle Untertanen gemustert, sondern nur eine
Auswahl. Für das Amt Schorndorf wurden 100 Hakenschützen und 80 Spießer mit Rüstungen
verordnet. Aus den Begleitschreiben geht hervor, dass besonders vermögende Bürger
gewählt wurden, die sich befreien lassen konnten, indem sie eine Ersatzperson
stellten und dieser den Sold bezahlten. Folglich gibt es eine weitere Liste, die
diejenigen enthält, die tatsächlich einen Ersatzmann stellten. Da der
Schorndorfer Vogt die genaue Besoldung nicht kannte, fragte er in Stuttgart nach
und erhielt die Antwort ein Spießer mit Rüstung erhalte 10 fl. monatlich, ein
Schütze nur 6 fl. Es drängt sich der Verdacht auf, dass bei dieser Musterung
vermögende Bürger verpflichtet werden sollten den Kriegszug durch Stellung
einer Ersatzperson zu finanzieren. Die 1592er Liste dürfte demnach überwiegend
vermögende Bürger enthalten.
Ein weiterer Musterungsbefehl ist von 1597 erhalten. Dort ist nicht mehr von
herzoglichen Verordneten die Rede, sondern nur noch davon, dass die Amtleute die
Untertanen auf einen festgesetzten Tag zusammenfordern sollten um dann die
Waffen zu besichtigen.
Ab 1603 wurden teilweise nicht nur die drei Wahlen aufgeschrieben, sondern zusätzlich
eine Reserve von jungen Bürgersöhnen, sozusagen eine Nullwahl. Der herzogliche
Befehl zur Musterung vom 28.1.1603 ist derzeit noch nicht gefunden, der
Schorndorfer Vogt fragt in einem Schreiben an die herzogliche Kanzlei aber nach,
wie er es mit den jungen Bürgerssöhnen halten soll. Daraufhin ergeht an ihn
ein erneuter Befehl, der sich auf den eigentlichen Musterungsbefehl bezieht und
diesen wiederholt. Darin befiehlt der Herzog alle amtsangehörigen Untertanen
mit und ohne Waffen zu mustern und die jungen Leute mit aufzunehmen und ihnen
Waffen aufzuerlegen. Das eigentliche Begleitschreiben zu den Musterungslisten
berichtet dann, dass alle Amtsangehörigen in Schorndorf vor dem Unteren Tor am
15.2.1603 zusammenkamen. Den jungen Bürgersöhnen ab 18 Jahren wurden Waffen
nach Vermögen ihrer Eltern auferlegt, letztere seien aber überwiegend nicht in
der Lage solche zu beschaffen. Außerdem ist auch im Briefwechsel der
Schorndorfer wieder von einem bestellten Hauptmann, Jörg Bihler, die Rede, der
als Hauptmann in den Musterungslisten nicht auftaucht. Es dürfte sich wiederum
um einen vom Herzog Verordneten handeln.
Für die Liste von 1608 finden sich in einer Waiblinger Kellereirechnung relativ
detaillierte Hinweise. Gemustert wurden die Ämter Waiblingen und Winnenden
gemeinsam. Daher ritten einige Zeit vorher der Waiblinger Bürgermeister Michael
Sattler und der Hauptmann Conrad Dötz von Schwaikheim zum Winnender Vogt um den
Musterplatz auszumachen. Am 31. Mai 1608 besichtigten der Untervogt und weitere
Deputierte erstmalig die Waffen auf dem Waiblinger Wasen. Unter Umständen war
hier nicht das ganze Amt anwesend, sondern nur die Waiblinger Bürgerschaft. Am
3. Juni kam abends der Brackenheimer Obervogt Junker Schafflitzki mit drei
Bediensteten in Waiblingen an und nahm mit dem Waiblinger Ober- und Untervogt
zusammen einen Schlaftrunk ein. Obwohl es nicht explizit berichtet wird, ist
davon auszugehen, dass er wiederum vom Herzog als Verordneter beauftragt war. Am
darauffolgenden Tag wurde dann auf der Plattenwiese zwischen Winnenden und
Schwaikheim die eigentliche Musterung der beiden Ämter Winnenden und Waiblingen
vorgenommen. Ein Zelt, wohl als Unterstand für die Befehlsleute, war vorher
schon dorthin gebracht worden. Die Waiblinger Musterungsliste datiert dann auch
vom 4. Juni. Nach der Musterung erhielten die Befehls- und Spielleute nochmals
einen Umtrunk im Waiblinger Rathaus. Danach wurde die 62 Blatt umfassende
Waiblinger Musterungsliste für den Verbleib im Rathaus kopiert. Die Bürgermeister
erhielten auszugsweise Kopien
Wie es sich gezeigt hat, wurden die Musterungen in den verschiedenen Jahren
unter unterschiedlichen Voraussetzungen vorgenommen. Hinzu kommt, dass in
manchen Jahren nur wenige Ämter gemustert wurden, z.B. die anliegenden Ämter,
wenn in benachbarten Territorien Krieg herrschte oder drohte. Daher sind die
Listen wenig einheitlich und nur mit Einschränkungen zu vergleichen. Ob die
Listen, die im gleichen Jahr in den verschiedenen Ämtern erhoben wurden
einheitlich sind, wird sich durch einen Vergleich noch zeigen. Bei den
Musterungen, bei denen herzogliche Verordnete anwesend waren, ist von einer
gewissen Übereinstimmung auszugehen. Weiterhin ist anzumerken, dass bei der
Erfassung wehrtechnische Erfordernisse im Vordergrund standen. So wird den
Amtleuten meist besonders ans Herz gelegt nach kriegserfahrenen Untertanen
Ausschau zu halten.