die Geschichte der Möglinger Templer in Palästina

veröffentlicht in den Möglinger Nachrichten (leider haben wir dort nur eine begrenzte Anzahl von Zeichen zur Verfügung, so dass wir nur in Abschnitten  veröffentlichen können.)

Teil 1 am 06.05.2021:

Vor einigen Wochen haben wir an dieser Stelle unseren Lesern  die interessanten Erlebnisse von Friedrich Künstner ( 1887-1977), aus der Zeit vor und während des Ersten Weltkrieges die, in bis nach Palästina führten, präsentiert, die kurz vor seinen Tod in den MN  erschienen sind.  Er trifft 1917 als württ. Soldat in der  Zeit des osmanischen Reiches in Kleinasien auf einem Verladebahnhof zufällig auf einen ihm unbekannten anderen Möglinger, der sich als Karl Knoll aus Palästina vorstellt. Karl Knoll ( 1876- 1956) hatte (nach der Erinnerung von F. Künstner) schon als einjähriges Kind mit Eltern und Großeltern Möglingen verlassen, die aus Glaubensgründen nach Palästina ausgewandert sind, aber er hat Möglingen immer als seine eigentliche Heimat betrachtet. 1977 also nach 60 Jahren nach den Zusammentreffen hat Friedrich Künstner folgend auf seinen  MN Artikel von Frau Helene Kübler geb. Knoll, der Tochter von Karl Knoll, die damals schon 26 Jahre in Australien lebte,  einen Brief und  damit einen „ Update“ erhalten.  Dem HVM ist dieser etwas mysteriöse Karl Knoll wohl bekannt, weil wir seit Jahren die Lebensschicksale von Möglinger Auswanderern und deren Nachkommen erforschen, ein Kapitel zu dem auch im Heimatbuch wenig aufzufinden ist. Möglingen war vor 150 Jahren ein Hotspot der Templerbewegung, die aus Glaubensgründen ins osmanische Palästina ins Heilige Land auswandern wollten um dort Kolonien zu gründen. Über die Geschichte der Möglinger Templer bis um 1933/38 hat Pfarrer Rentschler mehrere lesenswerte Artikel ( auch auf unserer Homepage http://www.heimatverein-moeglingen.de „Über die Geschichte der  württembergischen Templer“  und mehr  ) geschrieben, über die Zeit danach forscht der HVM. Dabei trifft es sich gut, dass der HVM Schriftführer Rolf Reichert schon vor mehr als 60 Jahren durch die Freundschaft seiner Eltern mit Familie Ziegler in Ludwigsburg und deren nahen Verwandtschaft mit der Familie Knoll aus Sarona viele Personen unter den „Palästinern“ persönlich kennenlernen durfte und als 8 jähriger Bub seine erste Eisenbahnreise allein nach Hengstfeld  auf den Bauernhof von Karl Knoll, zu Schwiegersohn und Enkelin unternahm und dort eine Woche Ferien auf dem Bauernhof mit Erzählungen zu Sarona erleben konnte.  

Teil 2 am 12.05.2021:

Aufgrund der positiven Resonanz der MN Leser zu dem Künstner Artikel wollen wir über interessante Funde und Geschichten zu den Templern berichten. Am besten wir fangen bei jenem Karl Knoll an. Sein Ururgroßvater Johann Gottlieb K. war 1780 mit Familie von Walheim nach Möglingen gezogen. Sein Großvater Jakob Friedrich K. (1805 – 1878 Sarona) war Schuhmacher und seit August 1861 einer der 12 Ältesten des Gründers der Tempelgesellschaft Christoph Hoffmann und befugt Kinder zu taufen (damals wohnhaft in der heutigen Münchinger Str.26). Wer sind die Templer und warum wollten sie ins Gelobte Land? Die Tempelgesellschaft  ist entstanden um 1850 als Reaktion auf Reformbewegungen der Evangelischen Kirche Württembergs, welche diese vehement ablehnten , sie ist nicht zu verwechseln mit dem Templerorden der Kreuzfahrer des  13. Jahrhunderts. Der Gründer Christoph Hoffmann war der jüngste Sohn von Gottlieb Wilhelm  Hoffmann, dem Gründer und Vorsteher der  Korntaler Pietisten Gemeinschaft. Christoph Hoffmann löste sich theologisch von der lutherischen Kirche, übersiedelte ins Heilige Land und gründete dort Kolonien, mit dem Ziel einen neuen  Jerusalemer zu errichten. Dort in Jerusalem war seiner Ansicht nach am ehesten der Ort, wo sich eine Gemeinschaft im urchristlichen Sinn, frei von den verderblichen Einflüssen der Zivilisation, entfalten und die Urzelle einer auf den wahren Gottesglauben gegründeten , geläuterten neuen Welt bilden konnte. Nach Pfarrer Rentschler (1933) hatte Möglingen 1861 seinen eigenen Tempelgeistlichen erhalten und war so zu einem bedeutenden Stützpunkt der ganzen Bewegung geworden. 44 Gemeindemitglieder waren bis 1868 aus der evang. Landeskirche und in die Tempelgesellschaft übergetreten.  Schon 1848 hatte Jakob Friedrich Knoll, als Haupt der Möglinger Pietisten, Christoph Hoffmann den späteren Gründer der Tempelgesellschaft gedrängt  für  die Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt zu kandidieren, mit Erfolg.

Teil 3 am 20.05.2021:

1873 (also noch vor der Geburt von Karl Knoll !!) zog der Möglinger Gemeinde-Vorsteher Jakob Friedrich Knoll mit Ehefrau Anna Katharina K. geb. Rossnagel (1802- 1874 Sarona) und mit Sohn  Johann Jakob Knoll (1841-1895, Sarona) und damit (Vater von Karl K.) und dessen Ehefrau Rosine geb. Schüle (1845-1903, Sarona) sowie mit  2 Tanten von Karl K. , Maria Magdalena (1832-1887) und Maria Friederike (1843-1910, Jaffa)  über Wien und Triest mit dem Postschiff nach Jaffa (heute Stadtteil von Tel Aviv/Israel). 3 weitere Tanten waren 1873 schon verheiratet, Christiana Barbara (1859), Margarete (1868) und Johanna (1871)  und blieben in Württemberg. Sie und ihre Kinder wurden für die Palästiner, wie sie genannt wurden zu wichtigem Bezugspunkt und immer wieder zur Anlaufstelle in der alten Heimat.

In Palästina war die Anlaufstelle für die Knolls die Möglinger Familie Pflugfelder in Sarona, die schon 1871 ausgewandert waren,  Magdalene Christine Pflugfelder geb. Roßnagel ( 1.3.1841-22.7.1913) war die Nichte von Anna Katharina Knoll. Die Knolls erwarben das Grundstück gegenüber von Familie Pflugfelder. Gottfried Pflugfelder hatte 1871 das  Los für den Erwerb von Grundstücken in der neugegründeten Kolonie Sarona (heute ein Stadtteil von Tel Aviv) gezogen.  Jakob Friedrich Knoll wurde auch in Sarona noch Gemeinde-Ältester bis zu seinem Tod  1878. Der Tempelvorsteher Christoph Hoffmann selbst ehrte Knoll mit einem Nachruf :  Er war unter der unscheinbaren Außenseite eines schwäbischen Dorfbewohners und schlichten Handwerkers, ohne andere Bildung, als die ihm das Forschen nach Wahrheit und das Festhalten der erkannten Wahrheit gegeben hatte, ein wahrhaft priesterlicher Mann. Wenn die Bildung und Organisation der Tempelgesellschaft keine weitere Frucht getragen hätte, als dass einigen solchen Männern die Gelegenheit zur Entwicklung und Anwendung ihre Geistesgaben verschaffte, so wäre das der Mühe wert gewesen“. Die Anfangszeit der auf Landwirtschaft angelegten Kolonie  Sarona war wegen weitverbreiteter Malaria mit  hoher Sterblichkeit verbunden (eine jüngere Schwester Sophie starb jünger als mit 2 Jahren) und mutmaßlich auch die Großeltern an der Malaria. Ackerbau und Milchwirtschaft waren mühsam aufzubauen aufgrund des sandigen Bodens und Viehkrankheiten. Karl Knoll hatte noch 3 weitere Geschwister, den späteren Lehrer Immanuel Jacob K. ( 1881-1947 Wilhelma/ Palästina), Pauline (1883-1973 Bayswater, Australien), die 1908 Gottlieb Glenk heiratete und Sophie Karoline K. (1885- 1977 Ludwigsburg), die 1921 in Murrhardt Karl Wahl heiratete.

Karl Knoll wollte nach dem Tod des Vaters (1895) nicht in die Fußstapfen seines  Vaters treten und in der Existenz eines kleinen Milchbauern eines Hofes verharren, auf dem Hof den er zusammen mit Schwester Pauline bewirtschaftete. Daran änderte auch der Orangenanbau nichts (die Templer hatten  erfolgreich Orangenbäume veredelt und die Exportmarke Jaffa-Orangen geschaffen) wobei Knoll & Co. eigene Orangenplantagen bewirtschafteten. Ein Grund war auch, dass die Templer die in Württemberg übliche Realteilung anwandten und Karl hohe Pachtzahlungen an seinen Bruder Immanuel Knoll und seine Tante zu leisten hatte. Er suchte nach Alternativen und 1909 (1903 hatte er Lydia Sawitzky ( 1883-1954) geheiratet)  zog er mit junger Familie nach Deutsch-Ostafrika (heute Tansania) zum Mt Meru / Arusha, wo sie als erste Deutsche und damit als Pioniere eine Kaffeefarm aufbauten. Durch den Suezkanal war Tanganyika wie Deutsch – Ostafrika/ Tansania damals hieß, von  Palästina gut erreichbar. Karl Knoll war der Kopf einer Gruppe die dorthin auswandern wollte und dazu auserkoren die Möglichkeiten vor Ort zu erkunden. Dafür hatte er 1000 Mark von der Deutschen Siedlungskommission erhalten  und eine 50 % Reisekosten-Ermäßigung auf der Deutschen Ostafrikalinie erreicht, die es ihm ermöglichten in Port Said das Dampfschiff Feldmarschall  zu besteigen und am 2. August 1907  nach 18 Tagen im Hafen von Tanga ostafrikanischen Boden zu betreten. Nach wenigen Tagen hatte Karl Knoll es schon geschafft die richtigen Beamten zu kontaktieren und mit einem persönlichen Führer in die Usambaraberge aufzubrechen. Seine Erkundungsreise wäre eine eigene Geschichte. Jedenfalls war der Aufenthalt mit Familie von 1909- ca. 1912) in Ostafrika trotz erfolgreicher Farmertätigkeit kurz. Gründe war der Verlust des  Sohnes Berthold (1910) und weil Ehefrau Lydia so stark an Malaria litt dass sie gezwungen waren nach Palästina zurückzukehren.  Weil Karl Knoll mehrere Sprachen perfekt sprach, u.a. Arabisch,  zog die Familie nach Aleppo/ Syrien und Karl wurde kaufmännischer Angestellter und Dolmetscher beim Bau der Bagdadbahn. 1977 schrieb seine jüngste Tochter Helene Kübler geb. Knoll (1914 in Aleppo/Syrien- 2008 in Bayswater, Victoria AUS) einen Brief an Friedrich Künstner, kurz vor dessen Tod. Sie erwähnt im Brief ihre im 2. Weltkrieg gefallenen Brüder Erich ( 1911 in Arusha/ Tanganyika heute Tansania – 1942 in Rostow/ Russland) und Oswald ( 1912 in Aleppo – 1944 in Tscherkassy /Ukraine). Ein Sohn Kurt  verstarb ebenfalls früh ( 1909 Arusha – 1917 Wilhelma/ Palästina), er wurde unter Sand verschüttet. Am 4. 8. 1914 wurde Karl Knoll eingezogen und die Familie lebte nach dem Wegzug von  Aleppo dann in Wilhelma/ Palästina bei Heinrich Sawatzky, dem Bruder der Frau. Nach der Besetzung von Palästina durch die Engländer  1917 waren die Templer in Heluan bei Kairo interniert bevor sie nach Deutschland ausreisen konnten. Am Ende des 1. Weltkrieges lebte Karl Knoll in Ludwigsburg wo sein Bataillon stationiert war und deshalb zog die Familie von Heluan nach. Von 1921- 1929 wohnte die Familie in Ludwigsburg, bevor sie zurück nach Palästina zogen. Tochter Erna Sofie (1906 -1935) wurde in Markgröningen als Stipendiatin zur Lehrerin ausgebildet, sie verunglückte tödlich durch einen explodierenden Spirituskocher.  Karl Knoll nennt zur Rückkehr nach Palästina in einem Brief von 1938 an Bürgermeister Haspel wirtschaftliche Gründe, wobei schon 1938 drei seiner Kinder in Stuttgart lebten und  Arbeit gefunden hatten. Karl und Lydia Knoll zogen nach Jaffa/ Tel Aviv  wo Karl Bankangestellter war und das Ehepaar sich ein Haus bauten. Während des 2. Weltkriegs (1941 und  1942)   wurden die Templer von den Engländern deportiert und  in Australien interniert; Karl und Lydia Knoll sind in der Liste der 2. Gruppe im November 1942 verzeichnet. Die Mehrheit der Templer blieb nach dem Krieg in Australien, den kleineren Teil zog es zurück nach Deutschland. Karl Knoll  kehrte 1947 nach Württemberg zurück. 1952 kaufte Karl Knoll einen Bauernhof in Hengstfeld bei Crailsheim, den er mit Schwiegersohn Erwin Häring  bewirtschaftete und wo er 1956 verstarb. Seine  Frau Lydia war schon 1954 an Krebs verstorben. Seine Enkelin von der  ältesten Tochter Rosa Häring und auch eine Urenkelin wohnen in Gerabronn/ Hohenlohe und zahlreiche Nachkommen von der Tochter Helene Kübler leben in Australien. 

 

Der jüngere Bruder von Karl Knoll  war Immanuel Jacob Knoll (1.10 1881 / Sarona – 8.3. 1947 in Wilhelma/Palästina). Er wurde in Nagold am Lehrerseminar ausgebildet und war seit 1902 Lehrer in der Templerschule in Sarona. Er heiratete Berta Marie Venus (18.10. 1888/ Sarona – 28.5.1981 in Bayswater, Victoria, Australien). Ihr Bruder Otto hatte die erste Tischlerwerkstatt in Sarona. Während des 2.Weltkrieges war das Ehepaar zuerst im Camp IV  in Sarona interniert und wurden dann nach Camp V  in Wilhelma/ Palästina verschickt wo der nierenkranke Immanuel Knoll 1947 verstarb. 1946 hatte das Ehepaar noch einen Antrag an die  britische Mandatsverwaltung gerichtet um die Staatsbürgerschaft von Palästina zu erlangen, der abgelehnt wurde. Sohn Edgar Knoll (1910-1967 Box Hill Victoria) der in Deutschland zum Uhrmacher ausgebildet wurde hatte im Haus der Eltern in Sarona einen Uhrmacher und Juwelierladen. Er war  schon 1941 nach Australien deportiert worden. Tochter Meta (1909-2010) hatte 1937 in Ludwigsburg einen Richard Steegmaier geheiratet und es gibt zahlreiche Nachkommen.  Über Sohn Werner Knoll (* 1915) ist wenig bekannt, er lebte nach dem Krieg in Köln. 

Wie beschrieben waren die direkten Nachbarn (gegenüber) der Knolls in Sarona in der Christophstraße die Familie Johann Gottfried Pflugfelder (22.1.1833- 14.10.1873, Sarona)  die schon seit 1871 als erste Siedler in Sarona lebte. Die Ehefrau war Magdalene Christine Roßnagel (1.3.1841-22.7.1913). Sie war die Nichte von Anna Catharina Knoll geb. Rossnagel, der Frau des Gemeinde- Ältesten Jakob Friedrich Knoll. Mit ausgereist waren Sohn Philipp Imanuel Pflugfelder (12.7.1868- 7.12.1876 Sarona) und der  Sohn Gotthilf Christian Pflugfelder (30.8.1869 - 13.5.1938 Tübingen). Die Nachbarschaft war wohl gewählt. Wie der HVM durch Recherchen im Gemeindearchiv herausgefunden hat, war die Familie Pflugfelder recht vermögend geworden vor allem durch einen lukrativen Hausverkauf, der den Kapitaleinsatz für den Ankauf in 3 Jahren nahezu verdoppelte. Die finanziellen Startbedingungen für die neue Existenz in Sarona waren in 1871 also exzellent. Gottfried Pflugfelder zog bei der Ankunft  und Gründung von Sarona 1871 das Los Nr.18 für ein Grundstück mit 25 ar. Voraussetzung war, dass er genug Mittel besaß um ein Haus und eine Scheune zu bauen, um zusätzliches Ackerland zu erwerben und noch mehrere Jahre von den Ersparnissen leben konnte. Ein Budget von wenigstens 5000 Francs galt als erforderlich, das waren in etwa 5000 Gulden. Das Gebiet in Sarona erwies sich bald jedoch als malariaverseucht, was vielen Siedlern das Leben kostete und sowohl der in Sarona geborene Sohn Jonathan ( Nov.1871- 29.6.1872)  als auch der Familienvater Gottfried Pflugfelder (1873) und wahrscheinlich auch Sohn Philipp erst achtjährig dürften deswegen so plötzlich verstorben sein. Auch der ältere Bruder Johann Georg Pfl. (24.3.1826- 27.6.1876, Sarona) von Gottfried Pflugfelder verstarb plötzlich, er hatte 1856 nach Hirschfelden bei Schwäbisch Hall geheiratet, seine Witwe emigrierte später mit den Söhnen nach Philadelphia USA. Erst durch Drainage und Anpflanzung von Eukalyptusbäumen  verschwand die Malaria als Todesursache Nr.1. Man kann annehmen, dass die beiden Möglinger Familien sich tatkräftig in der Landwirtschaft unterstützten vor allem auch weil die Familie Knoll finanziell minderbemittelt war (Archivrecherche). Das Haus von Christian Pflugfelder steht noch heute in Sarona und ist ein Museum, weil Christian in Asperg in der Ölmühle das Handwerk Ölmüller gelernt hatte und erste moderne Ölmühle für Sesam und Oliven in der ganzen Gegend errichtete. Erst nach dem Tod der Mutter (1913)  konnte Christian Pflugfelder (mit 44 Jahren) zum ersten Mal heiraten. Seine Frau  Maria Martha Wohlfahrt, die er in Murrhardt geheiratet hatte, starb 1925 in Sarona, seine 2. Frau  Christiane Weiss aus Sarona (1891 Sarona -1960 Tailfingen) die er 1927 heiratete überlebte ihn, sie sollte laut umfangreich überliefertem Aktenmaterial  (vorhanden im israelischen Staatsarchiv) ihre Nachbarn Immanuel und Edgar Knoll als Vormund bekommen, was sie jedoch vehement ablehnte. Das beachtliche Vermögen erbte nach ihrem Tod die Rossnagel Verwandtschaft von der mütterlichen Seite ihres Mannes.  

 

Mit der Familie Gottfried Pflugfelder zog 1871 auch das aus ärmlichen Verhältnissen stammende Geschwisterpaar  Johannes und Rosine Ziegler (geb. 18.5.1841) die durch den frühen Tod der Eltern bis zur Volljährigkeit unter Pflegschaft gestanden hatten mit nach Palästina ,wo Johannes Ziegler (18.2.1839 – 24.11 1909) in Haifa ein Fuhrgeschäft eröffnete. Dies  damals im Heiligen Land mit sehr wenigen befahrbaren Straßen und zahlreichen Pilgern die  gezwungen waren die Stätten mit Reittieren zu erkunden ein echte Start-up Branche. Über seine Schwester Rosine gibt es kaum Zeugnisse, sie hatte in 1. Ehe 1864 nach Leinfelden geheiratet und in 2. Ehe einen Johann Georg Bock, wohl schon in Palästina.  Über Johannes Ziegler ist auf seinem auf dem Templerfriedhof in Haifa/ Israel  hoch heute erhaltenen Grabstein zu lesen, dass er in Möglingen bei Ludwigsburg geboren wurde. Auch das Grab seiner in Möglingen geborenen Ehefrau Johanna geb. Hartmann ( 19.12.1835- 10.1. 1934), die er 1876 in Haifa heiratete (sie war 1874 dorthin ausgewandert)  ist 2021 noch in Haifa erhalten. Ihre Tochter Karoline (28.9. 1877 in Haifa – 1.10.1942 in Bethlehem/ Galiläa)  heiratete 1910 einen Jakob Immanuel Katz (1871 in Haifa- 1954 Altensteig/Württ) dessen Vater Jakob stammte aus Altensteig, seine Mutter Katrine war eine geb. Rothacker aus Schwieberdingen ( laut erhaltenen Grabsteinen in Haifa). Nachkommen leben in Altensteig.

 

Die letzten Auswanderer nach Palästina war 1906 die Witwe des Jacob Philipp Reichert (4.12.1841-23.7.1906), der schon 1861 die  Erklärung einiger Möglinger Familien zum Austritt aus der Landeskirche mitverfasst hatte und kurz vor seinem Tod noch das Reisegeld bei der Tempelgesellschaft eingezahlt hatte. Mit aus der Kirchgasse zogen mit der Witwe Johanna geb. Giek (23.2.1835- 16.1.1912 in Wilhelma/ Palästina) ihr Sohn Gottlob Jakob R. (25.11.1875-2.6.1949 Australien), der Sohn Paul Friedrich Reichert (6.6.1881 – 21.10.1946 Wilhelma) folgte 1907. 1909 verzichteten sie auf das Möglinger Bürgerrecht. Ein wesentlicher Reisegrund war auch die 1902 gegründete Kolonie Wilhelma in der Nähe von Jaffa und die mit 802 ha Gelände ausreichend Gelegenheit bot Land für die Landwirtschaft zu erwerben. Jedoch kostete ein Ackerlos 25000 Mark. Gottlob heiratete  1907 die in Jaffa geborene Karoline Hahn (26.3.1877-8.3.1947). Sohn Gustav (1908-1994) wurde im 2. Weltkrieg nach Australien deportiert, er heiratete 1947 in Melbourne Elfriede Ruff aus Tiberias (1916-2009), ihre Nachkommen sind 2 Söhne und 4 Enkel. Sohn Gottlob (1911-1944) hatte eine hohe Funktion in der Hitlerjugend von Palästina.  Sohn Helmut (1915-1988) lebte in Sarstedt, seine Nachkommen sind 2 Töchter und Enkel. Tochter Helene (1914-2000, Bayswater) blieb ledig und kinderlos. Paul Reichert (1881-1946) heiratete 1910 Gottliebin Johanna Scheerle (1883-1952, Hawthorn) aus Hohenhaslach. Dessen Sohn Paul Hugo R. ( 1912-1994 Hawthorn) der 1944 in Wilhelma heiratete, zog erst spät nach Australien, die Tochter Helga wurde noch im Dezember 1947 in Jaffa geboren.  Dessen Bruder Hugo (1914-1985, Löchgau) ist noch manchem Möglinger bekannt. Über Bruder Willi Jacob (1921-2008, Melbourne) und Schwester Elfriede (1918-1993) ist nichts weiteres bekannt. Die Kolonie Wilhelma (unweit des heutigen Flughafens Ben Gurion)  war Anfeindungen der benachbarten arabischen Dörfler ausgesetzt und schon 1909 kann es zu Zwischenfällen. Was die beiden Reichert Brüder Gottlob und Paul anbauten ist nicht bekannt, ob im Ackerbau, Wein und Obstbau oder aber  eher Milchwirtschaft betrieben die in Wilhelma verbreitet war, wird noch zu erkunden sein, jedenfalls sind ihre Grundstücke auf dem Plan von 1938  verzeichnet.   

Nachwort: Die Nachkommen der Möglinger Templerfamilien leben heute in Australien und Deutschland und  sind stolz auf die Leistungen ihrer Vorfahren und erinnern sich an gute wie an schwierige Zeiten. Die Aufbauarbeit der Templer wird heute von israelischer Seite gewürdigt. Lange bevor es Kibbuze gab waren württembergische Siedler  noch heute  anerkannte Pioniere in der Landwirtschaft und Infrastrukturentwicklung des Landes ,  erste bedeutende Orangenveredlung (Jaffa - Orangen)  und deren Export;  die erfolgreiche Sumpftrockenlegung durch  Anpflanzen von Eukalyptusbäumen, Einführung von Weinbau, Intensivierung der Milchwirtschaft  und der Gründung der ersten Banken in Palästina, die damals eine sehr rückständige osmanische Provinz war. Die erfolgreichen landwirtschaftlichen und industriellen Innovationen wurden von Juden und Arabern  gerne übernommen.  Lange Zeit waren die Templerhäuser  Amtssitz  des israelischen Premierministers und anderer staatlichen und militärischen Stellen  heute ist hier die Ausgangsmeile entstanden. Noch heute ist die Siedlung Sarona ein Stadtteil von Tel Aviv und die vielen erhaltenen Häuser der Templer stehen unter Denkmalschutz.

Rolf Reichert