Hie gut Württemberg vom 02.04.1994
Vom Schlossergesellen zum
Rennfahrer!
Im Jahr 1898 wurde Otto Salzer zu einer achttägigen Distanzfahrt nach Wien
entsandt, an der er als einziger in einem Automobil teilnahm. Auf der in
Tagesetappen von 50 Kilometer durchgeführten Fahrt nahmen sonst nur Wagen mit
Pferdeanspannung teil. Otto Salzer berichtete später in einem von ihm verfassten
Bericht ausführlich über diese ungewöhnliche Wettfahrt. Er schreibt: „Das Rennen
begann morgens in aller Frühe, aber schon nach 30 Kilometer gab es plötzlich
einen Krach und mein stolzer Wagen lag im Graben. Mein Beifahrer fiel unter das
Vorderrad, blieb aber glücklicherweise unverletzt. Die Untersuchung des Schadens
ergab dass die Vorderfeder gebrochen war. Mein Begleiter glaubte schon an ein
für uns wenig erfolgreiches Rennen. Dies lag jedoch keineswegs in meinem Sinne,
denn so rasch wollte ich die Flinte nicht ins Korn werfen. Überlegte mir daher,
auf welche Weise man die Feder wieder reparieren könne. Gelegenheit hierzu fand
ich in einer Dorfschmiede, die etwa eine Stunde von der Unfallstelle entfernt
war. Nach Beendigung der Reparatur wurde dann der Rückweg zum Wagen angetreten
und die Feder wieder eingebaut. Weiter ging die Fahrt und am Abend konnte ich
als Erfolg verzeichnen, dass die Pferdefuhrwerke wieder eingeholt waren.
Reparaturwerkstätten gab es selbstverständlich damals noch nicht und so mussten
wir mit den mitgeführten Ersatzteilen unseren Wagen jeden Abend wieder aufs Neue
fahrtüchtig machen. Tankstellen waren gleichfalls ein noch unbekannter Begriff.
Das Benzin, oder um in der Chauffeursprache zu sprechen den Schnaps, für unseren
Wagen, mussten wir meistens in Apotheken und Drogerien beziehen. Wenn man eine
solche endlich einmal glücklich erreicht hatte, erhielt man oft nur ein Quantum
von 5 Litern, weil diese Tankstellen der Vorzeit naturgemäß auf die Bedürfnisse
des Automobilverkehrs noch nicht eingestellt waren. Was aber die Hauptsache war:
die Fahrt klappte. Schon am dritten Tage fielen einige der Pferdefuhrwerke aus
und im Laufe der nächsten Tage blieben nach und nach sämtliche Pferde auf der
Strecke, da sie aus Übermüdung und Überanstrengung lahmten. Mit meinem Automobil
kam ich als einziger ans Ziel und hatte damit den Beweis dafür erbracht dass das
Kraftfahrzeug schon damals ein besseres Beförderungsmittel als Pferdefuhrwerke
war. Über dieses Ergebnis war Gottlieb Daimler hoch erfreut.“
In dieser Zeit wollte der Firmengründer seinem sozialen Empfinden Rechnung
tragen und lud deshalb an einem Sonntag die führenden Angestellten des Werkes zu
einer Omnibusfahrt ein. Das Ziel sollte Schorndorf sein und Otto Salzer wurde
mit der Führung des Omnibusses beauftragt. „An diesem Sonntagmorgen“ so
berichtete Otto Salzer über diesen ersten Betriebsausflug der Firma Daimler,
„ging ich einige Stunden früher ins Werk um ja den Wagen rechtzeitig stadtbereit
zu haben“. Die Fahrtteilnehmer wurden alle an ihrer Wohnung abgeholt und los
ging’s in Richtung Schorndorf. Die Richtung stimmte wohl. das Ziel wurde jedoch
nicht erreicht denn schon vor Fellbach wurde der Wagen plötzlich langsamer. Ich
musste anhalten um nach dem Fehler zu suchen. Auch Gottlieb Daimler stieg aus
und fragte mich „na Salzer warum halten Sie denn“? Ich musste ihm erklären dass
nach meiner Ansicht am Getriebe etwas nicht ganz in Ordnung sei.
Er fragte mich dann weiter, ob ich glaube den Fehler beheben zu können. Auf
meine bejahende Antwort meinte er: „Sehen Sie zu Salzer, ob Sie die Sache in
Ordnung bringen können, wir gehen so lange in die Traube nach Fellbach, kommen
Sie dann nach“. Bei näherer Untersuchung des Wagens fand ich, dass der
Spurzapfen am Getriebe gefressen hatte. Ich montierte die Getriebewelle ab, nahm
sie auf den Rücken und marschierte dann damit nach Cannstatt ins Werk. Dort
behob ich den Schaden und trug die Welle wieder zurück zum Wagen, wo ich sie
wieder einbaute.
Inzwischen war es Nachmittag geworden, bis ich beim Traubenwirt verfahren
konnte, wo ich die ganze Gesellschaft lustig und fiedel antraf. Gottlieb Daimler
fragte mich beim Eintreffen: „Können wir jetzt weiterfahren? Aber nach
Schorndorf ist doch zu weit, wir fahren nur nach Grunbach“. Dort wurde im
Gasthof zum Hirschen ordentlich gevespert und abends ging es bei bester Stimmung
zurück nach Cannstatt. Über die Art und Weise wie ich die Reparatur durchführte,
musste ich am andern Tag Gottlieb Daimler ausführlich berichten.“
Ein besonderes Erlebnis stellte für Otto Salzer die Tiroler Fahrt dar, die er im
Sommer 1898 eine Woche lang mit Gottlieb Daimler unternehmen durfte. Der
benützte Wagen, „Viktoria“, hatte noch Riemenantrieb, war aber schon mit der
ersten elektrischen Abreißzündung gerüstet. Trotz aller Mühe und Arbeit bei
verschiedenen Berg- und Passfahrten hatte der Test auch seine angenehmen Seiten,
denn Gottlieb Daimler erfreute sich an den Schönheiten der Berge. Öfter ließ er
auf der Höhe anhalten, um diesen oder jenen Ausblick zu genießen. Wenn dann
abends Otto Salzer den Wagen für die Weiterfahrt am andern Tag richtete, kam
Gottlieb Daimler stets zu ihm, um ihn zu einem Viertele einzuladen und um das
Programm für den nächsten Tag besprechen. Das Ergebnis dieser Tiroler Fahrt war
für die folgenden Neukonstruktionen von ausschlaggebender Bedeutung. Es hatte
sich herausgestellt, dass der Motor doch schwach war und die Bremsen den
Anforderungen in den Pässen noch nicht genügten. Gottlieb Daimler hatte erkannt,
dass eine noch größere Betriebssicherheit und Zuverlässigkeit angestrebt werden
müsse, um den Wagenkäufern ein zuverlässiges Beförderungsmittel in die Hand
geben zu können. Als Ergebnis dieser Erfahrungen wurden die Motoren mit
„Ritzel-Antrieb“ gebaut und auch die Kettenübertragung auf die Achse
ausprobiert.
Otto Salzer konnte mit einem eisenbereiften Lastwagen ebenso gut umgehen wie mit
einem Personen oder Rennwagen. So wurde er auch im Juni 1899 mit einem
sechspferdigen Zweizylinder-Lastwagen, der eine Tragkraft von fünf Tonnen besaß,
zu einer Vergleichsfahrt gegen Serpollet-Dampfwagen nach England geschickt. „Als
einziger“, berichtete Otto Salzer über dieses Rennen, „fuhr ich mit einem
Benzin-Motorwagen. Auch hier hatte ich mit ungeheuren Schwierigkeiten zu
kämpfen, vor allem wegen der Eisenbereifung, denn wenn es bergauf ging und die
Straße nass war, fingen die Räder an zu schleifen, und man musste dann die
konischen Radschrauben ins Rad hineinschlagen, um die Steigung überhaupt nehmen
zu können. Am ersten Tag fielen verschiedene von den acht beteiligten Dampfwagen
aus, und ich kam etwa als Sechster an. Die Fahrt dauerte zwei Tag und ging über
100 Meilen. Am zweiten Tag konnte ich als Erster das Ziel passieren. Für diese
Fahrt erhielt ich meinen ersten Ehrenpreis und zwar ein silbernes Zigarettenetui
mit Gravierung. Mit diesem Erfolg war die Überlegenheit des Benzin-Automobils
gegenüber dem Dampfwagen unter Beweis gestellt worden“.
Am 1. Januar 1900 wurde Otto Salzer von Gottlieb
Daimler als Meister angestellt, und zwar für die Montage der
Erstlingsausführungen von -Renn- und Personenwagen. Während vorher nur reguläre
Gebrauchswagen bei Rennen gefahren wurden, begann man nun mit dem Bau von
Rennwagen, die von bewährten Mechanikern gefahren wurden.
Berufsrennfahrer gab es erst nach dem Krieg.
Otto Salzer schreibt über die Entwicklung der damaligen Zeit, auch wie er selbst
aktiver Rennfahrer wurde, folgendes: „Die ersten Rennwagen wurden von Wilhelm
Maybach konstruiert und sämtliche unter meiner Leitung montiert. Sie wurden auch
von mir probegefahren. Meine weitere Aufgabe bestand darin, die Fahrer mit den
Wagen vertraut zu machen und auch den Rennfahrern, z. B. Jenatzy, die
notwendigen Anleitungen zu geben. Dabei kam auch für mich, wie man so sagt, mit
dem Essen der Appetit, und ich entschloss mich, selbst Rennen zu fahren, und ich
entschloss mich, selbst Rennen zu fahren. Meine ersten Schritte diesbezüglich
bei der Direktion waren wenig erfolgreich, denn Herr Kommerzienrat Fischer
konnte durchaus nicht einsehen, weshalb ich überhaupt Rennen fahren wollte, und
Maybach meinte sogar, entweder sei ich Rennfahrer oder Meister, aber nicht
beides gleichzeitig. Zunächst kam, wie so oft im Leben, ein
Kompromiss
zustande, indem ich das Angebot Adolf Daimlers, mir 40 Mark mehr Gehalt zu
geben, wenn ich auf das Rennfahren verzichte, vorerst annahm.
Mit dieser Zwischenlösung war jedoch mein einmal
gefasster Vorsatz noch lange nicht erledigt und da ich nebenbei auch die
Organisation der Rennen zu besorgen hatte, kam ich immer mehr zu der Ansicht,
dass ich mich endlich einmal dem Rennsport widmen müsse. Im Jahre 1905 wagte ich
den zweiten entscheidenden Vorstoß und da sich dabei wieder die gleichen
Einwände bemerkbar machten, war ich nahe daran, um meine Entlassung zu bitten
und brachte diese Absicht in der Unterhaltung auch zum Ausdruck. Als Ergebnis
konnte ich den Bescheid mitnehmen, dass man mich lieber Rennen fahren als gehen
lassen wolle und nachdem ich mir noch die Zusage hatte geben lassen, dass ich
nun selbstverständlich sämtliche Rennen bestreiten dürfe, hatte ich vorerst mein
Ziel erreicht. Mein erstes Rennen war das belgische Ardennen-Rennen am 23 August
1906. An diesem nahmen neben mir die Mercedesfahrer Mario und Jenatzy teil. Die
beiden fuhren an einem Sonntag weg zum Training, während ich am Montag folgte.
An der Grenze angekommen wurde ich angehalten und verhaftet mit der Begründung,
ich hätte am Vortag eine Frau totgefahren. Ich musste 2 Tage in Haft bleiben bis
der Nachweis erbracht war, dass ich erst am Montag abgefahren bin. Dann erst
konnte die Weiterreise angetreten werden und das Training beginnen. Am
Donnerstag vor dem Rennen stellte sich das erste Unheil dadurch ein, dass mir
die Kolbenstange in Folge eines Lagerschadens durch das Gehäuse schlug. Ich
hielt Jenatzy, der vorbeikam an und als ich ihm den Defekt erklärt hatte meinte
er jetzt sei für mich das Rennen vorbei. Dies lag jedoch keineswegs in meiner
Absicht und ich erkläre Jenatzy mit aller Bestimmtheit, dass er mir eben an die
Hand gehen und sowohl an die Fabrik als auch an den Werkführer Mauthe
telegraphieren müsse, damit der im Werk stehende Ersatzmotor zurechtgemacht
werde und bei meinem Eintreffen am Freitag früh abholbereit sei. Der Motor war
auf der Bremse (Prüfstand) fertig und wurde in 3 Kisten verpackt, so dass ich am
Abend den Zug mit den 3 Kisten, die ich als Passagiergut mitführte, zur
Rückfahrt benutzen konnte.Aber noch lange waren nicht alle Schwierigkeiten
überwunden denn erstens einmal wollte mich in Straßburg der Bahnbeamte dazu
bestimmen die 3 Kisten nicht als Passagiergut, sondern auf anderem Wege zu
befördern. Erst nach langem Hin und her brachte ich es soweit, dass man es bei
der ursprünglichen Beförderungsart beließ. Ich hatte telegrafiert, dass man mich
bei meiner Ankunft in Stenaiö abholen sollte. Dort stand tatsächlich auch 2
Wagen bereit. In den meinigen wurden 2 Kisten verladen während die dritte dem
anderen Fahrzeug zur Beförderung anvertraute wurde. In unserem Standquartier in
Baston wurde sofort mit der Montage des Motors begonnen“ das Gehäuseunterteil,
die Kurbelwelle und das Gehäuseoberteil waren bald zusammenmontiert, jedoch
fehlte immer noch die dritte Kiste mit den Zylindern. Endlich, nachmittags gegen
2 Uhr als Paul Daimler zu mir kam, löste sich das Rätsel er fragte mich: wissen
Sie auch wo die Zylinder sind?
Er klärte mich dann darüber auf dass der
Lastwagen mit einem Brassier Rennwagen zusammengestoßen sei und man die Zylinder
im Wiesental habe zusammenlesen müssen. Ich musste mich dann auf dringenden
Wunsch von Paul Daimler zur Ruhe begeben, um für das Rennen ausgeschlafen zu
haben. Als ich aber am anderen Morgen gegen 5 Uhr den Motor laufen hörte, hielt
ich es im Bett nicht mehr aus, zog meinen Renndress an und unternahm sofort mit
dem wiederhergestellten Wagen eine Probefahrt von 200 Kilometern. Alles war in
bester Ordnung.
Auf der Fahrt vom Start von Baston nach Neu-Chateau
auf einer Strecke von 15 Kilometern sind mir dann doch 2 Hakenunterfedern
gebrochen und ich kam daher ganz knapp zum Start. Dort wurde ich vom Baurat
Nallinger mit den Worten empfangen: „ also wo stecken Sie denn“? Aber es war
keine Zeit mehr zum Reden so wie ich war musste ich starten. Ich konnte sogar
nicht einmal mehr meine Brille herab nehmen. Erst etwa 200 Meter nach dem Start
kurz vor der Kurve ließ ich das Steuer los riß die Brille herunter und nahm die
Kurve. 3 Runden lang führte ich das Rennen an. In der letzten Runde traute ich
jedoch meinem Benzinvorrat nicht mehr und ließ mir daher 25 Kilometer vor dem
Ziel 20 Liter einfüllen. Das Tanken geschah damals mittels Schlauch und ich
hatte das Pech, das sich der Gummi dieser Schläuche löste und diese
Gummirückstände die Benzinleitungen verstopften. Schon nach 5 Kilometern musste
ich wieder anhalten, das Schwimmergehäuse abmontieren und die Leitung nachsehen
um die Fahrt fortsetzen zu können. Nach knapp weiteren 5 Kilometern war das
Steigrohr verstopft, ich musste dieses abmontieren und ausblasen. In scharfer
Fahrt legte ich dann noch die letzten 15 Kilometer zurück und konnte das Rennen
an achter Stelle beenden. Immerhin hatte ich bei diesem Anfang meiner
Rennfahrertätigkeit mit Lautenschlager als Mechaniker-Beifahrer beim ersten
Start die schnellste Runde des Tages gefahren und bei den Franzosen einen
respektvollen Eindruck hinterlassen, denn die französische Presse nahm
Veranlassung mich als „le terrible Salzer acrobat de Mercedes“ zu taufen.
Le terrible heißt ins Deutsche übersetzt etwa
der Schreckliche oder der Gefürchtete.“
Bei einer Geschwindigkeitsprüfung über 100 Kilometer
ebenfalls in seinem ersten Rennjahr wurde Otto Salzer von 40 gestarteten Wagen
Dritter. In einem Pressebericht ist zu lesen „Otto Salzer war der geborene
Rennfahrer.
Der Mann mit der raschen Auffassungsgabe, mit
den gesunden Nerven, mit der eisernen Kaltblütigkeit und mit der psychischen
Kraft, die die Vorbedingungen für einen Erfolg waren.
Im Jahr 1907 nahm Salzer an der Kaiserpreisfahrt im
Taunus am 13 und 14 Juni teil. Am Start waren 40 Wagen. Er klassierte sich im
Auswahlrennen über 236 Kilometer als Sechster für den Endlauf. Am zweiten Tag im
Entscheidungslauf über 472 Kilometer konnte er als Neunter das Rennen beenden.
Einen Monat später beteiligte sich Salzer beim großen Preis von Frankreich wo er
zwar kein Glück hatte, sich aber wieder durch sein schneidiges Fahren hervortat
(an führender Stelle in der 10. und zugleich letzten Runde musste er aufgeben,
die Motoraufhängung war gebrochen). Am 2. September konnte er in der Bergfahrt
auf dem Semmering den zweiten Platz belegen. Aus jener Zeit berichtete Otto
Salzer, dass es einfach eines Tages hieß:
„Salzer, fahren Sie am Sonntag in Paris“. Man
habe sein Köfferchen gepackt, dieses zum Schutz gegen den Regen mit einem
Wachstuch umwickelt und auf den Kotflügel geschnallt. Noch nicht einmal eine
Landkarte zur Orientierung habe man in die Hand gedrückt bekommen. Beim Rennen
sei man so ziemlich auf sich selbst angewiesen gewesen, denn Reparaturen durften
nur vom Fahrer oder von seinem mitfahrenden Mechaniker ausgeführt werden. In der
ersten Zeit habe man nicht einmal die Räder auswechseln können.
Als Ottos Salzer beim Grand Prix im Jahr 1908 einen
neuen Runden Rekord von 126,5 Stundenkilometern aufstellte, stand er mit einem
Schlag im Mittelpunkt des gesamten internationalen Kraftfahrsports. Diese runden
Rekord wurde als Weltrekord anerkannt. Nun lesen auch die Siege nicht mehr lange
auf sich warten. Beim Semmering Bergrennen am 20. September 1908 gab es für Otto
Salzer gleich 2 Siege. Den ersten in der Klasse „Rennwagen“
und einen in der „Grand Prix Klasse“.
Ein Jahr später beim Semmering Bergrennen am 18 September 1909 konnte Salzer den
Wanderpreis zum zweiten Mal und zwar diesmal in neuer verbesserter Rekordzeit
gewinnen. Dieser Rekord blieb 15 Jahre lang ungeschlagen und wurde erst 1924 von
ihm selbst gebrochen. Beim Grand Prix am 4 August 1913 wurde er vierter. Ein
Jahr später ebenfalls beim Großen Preis von Frankreich am 4 Juli 1914 fuhr
Salzer hinter Lautenschlager und Wagner den dritten Wagen des siegreichen
Mercedesteams. Am 12 April 1914 wurde im Wiener Tagblatt ein von Otto Salzer
verfasster Bericht veröffentlicht, der auch hier mit abgedruckt werden soll:
Wenn ich auf eine Rennstrecke trainieren soll, fahre
ich sie zuerst langsam ab um genauer Kenntnisse von ihr zu bekommen, danach
werde ich meine Geschwindigkeit etwas steigern, um festzustellen, welches die
zweckmäßigste Übersetzung für meinen Wagen ist. Sobald ich die richtige
Übersetzung ermittelt habe, werde ich dazu übergehen meinen Abstand bei scharfen
Kurven und dergleichen festzustellen weil ich nur dann gut durch solche Kurven
komme, wenn ich genau die Distanz zum Abstoppen des Wagens kenne. Das heißt,
wenn ich nicht zu früh aber auch nicht zu spät bremse und Gas abstelle.
Weiterhin werden dann die weniger scharfen Kurven daraufhin ausprobiert, mit
welcher höchstzulässigen Geschwindigkeit sie genommen werden können. Bei
unübersichtlichen Strecken wie sie zum Beispiel gerade auf der Rennstrecke des
diesjährigen Grand Prix ziemlich viel vorkommen,
muss ich fernerhin links und rechts von der
Chaussee bestimmte Punkte ins Auge fassen und mir merken, nach deren passieren
ich abstoppen muss, weil ich mich nicht darauf verlassen kann,
dass die Rennstrecke vor mir sichtbar ist. Sie
kann leicht durch Staub,
den die anderen Teilnehmer im Rennen
aufgewirbelt haben so verdeckt sein, dass ich andere Merkmale brauche um zu
wissen wann dieser oder jener wichtige Punkt heran naht. Ich muss während des
Trainings auch meinen Mechaniker genau instruieren, damit er mich beim Rennen
wirksam unterstützt. Seine Aufgabe ist es, bei unübersichtlichen Strecken nach
rückwärts zu schauen um mir zu melden, wenn etwa Wagen nachkommen;
er muss wissen wie er sich selbst zu verhalten
hat, wenn ich den Wagen wegen eines Defekts anhalte. Er muss darüber orientiert
sein, dass
er nur ganz dicht am Wagen aussteigen darf, um nicht etwa von vorbeifahrenden
Wagen gefährdet zu werden. In dem Moment da ich anfahre und wieder in die Straße
einbiege, muss er nach rückwärts schauen, um sich zu versichern, dass kein
Fahrzeug von hinten kommt. Dies alles muss beim Training so ausprobiert werden,
dass Fahrer und Mechaniker beim Rennen kein Wort miteinander zu reden brauchen.
Schließlich ist noch genau festzustellen wie viel Benzin und Schmieröl der Wagen
braucht, in welcher Runde etwa aufgefüllt werden muss und wie diese Arbeiten auf
Fahrer und Mechaniker aufzuteilen sind. Halte ich zum Beispiel in der 10. Runde
wegen Reifenwechsels, so muss gleichzeitig der Mechaniker absteigen und nach dem
Benzinvorrat sehen beziehungsweise Benzin auffüllen.
So muss jeder Griff sitzen.
gez.
Otto Salzer
Am 10. April 1922 konnte Salzer das Rennen Targa - Florio über 432 Kilometer und
6000 Kurven in sieben Stunden 24 Minuten als vierter Sieger beenden. Am 30.
April desselben Jahres wurde er beim Prager Bergrennen Erster in der
Rennwagenklasse mit der besten Zeit des Tages.
Im Jahr 1923 konnten die Schwa ben die Fahrkunst ihres Landsmanns beim
Stuttgarter Internationalen Solitude-Rennen am 17. Juni zum erstenmal bewundern.
Otto Salzer siegte, und das heimische Publikum jubelte ihm begeistert zu. Das
Jahr 1924 bildete für den nun Fünfzigjährigen den offiziellen Abschluss als
aktiver Rennfahrer. Mit vier Siegen und zwei zweiten Plätzen allein in diesem
Jahr, auf durchweg schweren internationalen Rennen, konnte er mit einer
brillanten Serie seine erfolgreiche Rennfahrer-Karriere beenden.
Erfolge
1924
Prager Bergrennen am 26. April:
1. Sieger
Solitude-Rennen am 18. Mai:
2.
Sieger (hinter Merz)
Klausenpaß-Rennen am 16. Und 17. August:
2.
Sieger
Semmering-Rennen am 14. September:
1. Sieger
4. Internationales Ecco-Home-Rennen am 20.9.:
1. Sieger (Gewinner des Großen Goldpokal
Wanderpreises in
neuer Rekordzeit)
Schwabenbergrennen am 28. September:
1. Sieger (ebenfalls in neuer Rekordzeit)
Nach einem so siegreichen Rennfahrerabschluß möchten wir doch noch über einige
Besonderheiten aus dem erlebnisreichen Alltag Otto Salzers berichten. Am 6. Mai
1899 heiratete er die Weingärtnerstochter Maria Pauline Merz. Es darf dazu
gesagt werden, dass sie mit dem damaligen Rennfahrer Otto Merz aus Esslingen
nicht verwandt ist. In der Ehe Otto/Maria Salzer wurden zwei Mädchen und vier
Buben geboren. Im Jahre 1914 konnte Otto Salzer sich in der Uhlbacher Straße 131
in Obertürkheim ein Haus bauen, in welchem er bis zu seinem Tode wohnte. Von dem
Sohn Theodor Salzer war zu erfahren, dass sein Vater sehr viel von der Welt
gesehen hat, einmal durch die Teilnahme an den vielen Rennen, die damals auf
eigener Achse von Untertürkheim aus mit dem Rennwagen angefahren wurden. Zum
andern ist er durch die ihm übertragene jahrzehntelange Wagenablieferung in fast
alle europäischen Länder gekommen. Theodor Salzer wusste aber auch noch ganz gut
zu berichten, wie besorgt und bedrückend immer die Stimmung war, wenn sich sein
Vater vor einem Rennen von seinen Kindern und seiner Frau verabschiedete, waren
doch stets große Gefahren mit derartigen Veranstaltungen verbunden, die jedoch
Otto Salzer glücklicherweise alle ohne Rennunfall meistern konnte.
Am 4. und 5 August 1908 flog Graf Zeppelin mit dem Luftschiff Nummer 4 von
Friedrichshafen über Basel, Straßburg, Mainz, Stuttgart (mit Umgebung) und
zurück nach Echterdingen. Dabei hat er auch Möglingen, wie im
Gemeinderatsprotokoll zu lesen ist, in mäßiger Höhe überflogen. Otto Salzer
wurde damals beauftragt, mit einigen Monteuren nach Echterdingen zu fahren um
die Daimler Motoren an Bord des Luftschiffes zu warten und einige kleinere
Reparaturen vorzunehmen. Das Luftschiff wurde jedoch durch einen Sturm
losgerissen und geriet in Brand. Sofort fuhr Otto Salzer mit Chefkonstrukteur
Dürr nach Echterdingen um dem Grafen im Gasthof Hirsch die Unglücksnachricht zu
bringen. Mit Tränen in den Augen berichtete Salzer später, stieg der Graf in
meinen Wagen. Neben ihm saß Dürr. Als wir am Brandplatz ankamen, war nur noch
ein verkohltes Gerippe zu sehen. Die einmütigen Huldigungen des deutschen Volkes
halfen dem Grafen das Unglück zu überwinden und ein neues Luftschiff zu bauen.
In die Abteilung Wagenablieferung im Werk Untertürkheim kamen viele prominente
Personen um bei Otto Salzer ihren Wagen persönlich abzuholen.
1909 kam der König von Bulgarien mit seinen Söhnen.
1924 musste Otto Salzer in Den Haag den Fuhrpark des Deutschen Ex Kaisers
Wilhelm II., der dort im Exil lebte, überprüfen. Er hatte als er ankam, den
Kaiser beim Holzspalten angetroffen.
1925 war Otto Salzer Leiter der Wagenkolonne, die Mercedes anlässlich des
Besuches von Reichspräsident und Generalfeldmarschall von Hindenburg stellte.
Auch viele Amerikaner erschienen, die Otto Salzer gerne mit nach Übersee
genommen hätten. Große Verdienstmöglichkeiten wurden ihm dabei angeboten die er
jedoch ablehnte. Am 5 Oktober 1936 konnte Otto Salzer mit 62 Jahren seine
40-jährige Betriebszugehörigkeit feiern. Als er 65 wurde ging er nicht in
Pension, sondern blieb seiner Firma für die er immer gearbeitet und gekämpft
hatte, treu. Direktor Doktor Kissel, Vorstand der Daimler Benz AG, hatte ihn
überredet, nach seinem 65. Geburtstag weiterhin die Leitung der Wagenablieferung
in Untertürkheim zu führen und dies tat Otto Salzer auch solange er es
gesundheitlich vermochte.
Im Dezember 1943 wurde Otto Salzer krank. Nun war er endgültig gezwungen seine
Arbeit bei Daimler-Benz aufzugeben. Am 7 Januar 1944 starb er im Alter von 70
Jahren.