Hie gut Württemberg vom 02.04.1994

Vom Schlossergesellen zum Rennfahrer!

Im Jahr 1898 wurde Otto Salzer zu einer achttägigen Distanzfahrt nach Wien entsandt, an der er als einziger in einem Automobil teilnahm. Auf der in Tagesetappen von 50 Kilometer durchgeführten Fahrt nahmen sonst nur Wagen mit Pferdeanspannung teil. Otto Salzer berichtete später in einem von ihm verfassten Bericht ausführlich über diese ungewöhnliche Wettfahrt. Er schreibt: „Das Rennen begann morgens in aller Frühe, aber schon nach 30 Kilometer gab es plötzlich einen Krach und mein stolzer Wagen lag im Graben. Mein Beifahrer fiel unter das Vorderrad, blieb aber glücklicherweise unverletzt. Die Untersuchung des Schadens ergab dass die Vorderfeder gebrochen war. Mein Begleiter glaubte schon an ein für uns wenig erfolgreiches Rennen. Dies lag jedoch keineswegs in meinem Sinne, denn so rasch wollte ich die Flinte nicht ins Korn werfen. Überlegte mir daher, auf welche Weise man die Feder wieder reparieren könne. Gelegenheit hierzu fand ich in einer Dorfschmiede, die etwa eine Stunde von der Unfallstelle entfernt war. Nach Beendigung der Reparatur wurde dann der Rückweg zum Wagen angetreten und die Feder wieder eingebaut. Weiter ging die Fahrt und am Abend konnte ich als Erfolg verzeichnen, dass die Pferdefuhrwerke wieder eingeholt waren. Reparaturwerkstätten gab es selbstverständlich damals noch nicht und so mussten wir mit den mitgeführten Ersatzteilen unseren Wagen jeden Abend wieder aufs Neue fahrtüchtig machen. Tankstellen waren gleichfalls ein noch unbekannter Begriff. Das Benzin, oder um in der Chauffeursprache zu sprechen den Schnaps, für unseren Wagen, mussten wir meistens in Apotheken und Drogerien beziehen. Wenn man eine solche endlich einmal glücklich erreicht hatte, erhielt man oft nur ein Quantum von 5 Litern, weil diese Tankstellen der Vorzeit naturgemäß auf die Bedürfnisse des Automobilverkehrs noch nicht eingestellt waren. Was aber die Hauptsache war: die Fahrt klappte. Schon am dritten Tage fielen einige der Pferdefuhrwerke aus und im Laufe der nächsten Tage blieben nach und nach sämtliche Pferde auf der Strecke, da sie aus Übermüdung und Überanstrengung lahmten. Mit meinem Automobil kam ich als einziger ans Ziel und hatte damit den Beweis dafür erbracht dass das Kraftfahrzeug schon damals ein besseres Beförderungsmittel als Pferdefuhrwerke war. Über dieses Ergebnis war Gottlieb Daimler hoch erfreut.“

In dieser Zeit wollte der Firmengründer seinem sozialen Empfinden Rechnung tragen und lud deshalb an einem Sonntag die führenden Angestellten des Werkes zu einer Omnibusfahrt ein. Das Ziel sollte Schorndorf sein und Otto Salzer wurde mit der Führung des Omnibusses beauftragt. „An diesem Sonntagmorgen“ so berichtete Otto Salzer über diesen ersten Betriebsausflug der Firma Daimler, „ging ich einige Stunden früher ins Werk um ja den Wagen rechtzeitig stadtbereit zu haben“. Die Fahrtteilnehmer wurden alle an ihrer Wohnung abgeholt und los ging’s in Richtung Schorndorf. Die Richtung stimmte wohl. das Ziel wurde jedoch nicht erreicht denn schon vor Fellbach wurde der Wagen plötzlich langsamer. Ich musste anhalten um nach dem Fehler zu suchen. Auch Gottlieb Daimler stieg aus und fragte mich „na Salzer warum halten Sie denn“? Ich musste ihm erklären dass nach meiner Ansicht am Getriebe etwas nicht ganz in Ordnung sei.

Er fragte mich dann weiter, ob ich glaube den Fehler beheben zu können. Auf meine bejahende Antwort meinte er: „Sehen Sie zu Salzer, ob Sie die Sache in Ordnung bringen können, wir gehen so lange in die Traube nach Fellbach, kommen Sie dann nach“. Bei näherer Untersuchung des Wagens fand ich, dass der Spurzapfen am Getriebe gefressen hatte. Ich montierte die Getriebewelle ab, nahm sie auf den Rücken und marschierte dann damit nach Cannstatt ins Werk. Dort behob ich den Schaden und trug die Welle wieder zurück zum Wagen, wo ich sie wieder einbaute.

Inzwischen war es Nachmittag geworden, bis ich beim Traubenwirt verfahren konnte, wo ich die ganze Gesellschaft lustig und fiedel antraf. Gottlieb Daimler fragte mich beim Eintreffen: „Können wir jetzt weiterfahren? Aber nach Schorndorf ist doch zu weit, wir fahren nur nach Grunbach“. Dort wurde im Gasthof zum Hirschen ordentlich gevespert und abends ging es bei bester Stimmung zurück nach Cannstatt. Über die Art und Weise wie ich die Reparatur durchführte, musste ich am andern Tag Gottlieb Daimler ausführlich berichten.“

Ein besonderes Erlebnis stellte für Otto Salzer die Tiroler Fahrt dar, die er im Sommer 1898 eine Woche lang mit Gottlieb Daimler unternehmen durfte. Der benützte Wagen, „Viktoria“, hatte noch Riemenantrieb, war aber schon mit der ersten elektrischen Abreißzündung gerüstet. Trotz aller Mühe und Arbeit bei verschiedenen Berg- und Passfahrten hatte der Test auch seine angenehmen Seiten, denn Gottlieb Daimler erfreute sich an den Schönheiten der Berge. Öfter ließ er auf der Höhe anhalten, um diesen oder jenen Ausblick zu genießen. Wenn dann abends Otto Salzer den Wagen für die Weiterfahrt am andern Tag richtete, kam Gottlieb Daimler stets zu ihm, um ihn zu einem Viertele einzuladen und um das Programm für den nächsten Tag besprechen. Das Ergebnis dieser Tiroler Fahrt war für die folgenden Neukonstruktionen von ausschlaggebender Bedeutung. Es hatte sich herausgestellt, dass der Motor doch schwach war und die Bremsen den Anforderungen in den Pässen noch nicht genügten. Gottlieb Daimler hatte erkannt, dass eine noch größere Betriebssicherheit und Zuverlässigkeit angestrebt werden müsse, um den Wagenkäufern ein zuverlässiges Beförderungsmittel in die Hand geben zu können. Als Ergebnis dieser Erfahrungen wurden die Motoren mit „Ritzel-Antrieb“ gebaut und auch die Kettenübertragung auf die Achse ausprobiert.

Otto Salzer konnte mit einem eisenbereiften Lastwagen ebenso gut umgehen wie mit einem Personen oder Rennwagen. So wurde er auch im Juni 1899 mit einem sechspferdigen Zweizylinder-Lastwagen, der eine Tragkraft von fünf Tonnen besaß, zu einer Vergleichsfahrt gegen Serpollet-Dampfwagen nach England geschickt. „Als einziger“, berichtete Otto Salzer über dieses Rennen, „fuhr ich mit einem Benzin-Motorwagen. Auch hier hatte ich mit ungeheuren Schwierigkeiten zu kämpfen, vor allem wegen der Eisenbereifung, denn wenn es bergauf ging und die Straße nass war, fingen die Räder an zu schleifen, und man musste dann die konischen Radschrauben ins Rad hineinschlagen, um die Steigung überhaupt nehmen zu können. Am ersten Tag fielen verschiedene von den acht beteiligten Dampfwagen aus, und ich kam etwa als Sechster an. Die Fahrt dauerte zwei Tag und ging über 100 Meilen. Am zweiten Tag konnte ich als Erster das Ziel passieren. Für diese Fahrt erhielt ich meinen ersten Ehrenpreis und zwar ein silbernes Zigarettenetui mit Gravierung. Mit diesem Erfolg war die Überlegenheit des Benzin-Automobils gegenüber dem Dampfwagen unter Beweis gestellt worden“.

Am 1. Januar 1900 wurde Otto Salzer von Gottlieb Daimler als Meister angestellt, und zwar für die Montage der Erstlingsausführungen von -Renn- und Personenwagen. Während vorher nur reguläre Gebrauchswagen bei Rennen gefahren wurden, begann man nun mit dem Bau von Rennwagen, die von bewährten Mechanikern gefahren wurden.  Berufsrennfahrer gab es erst nach dem Krieg. Otto Salzer schreibt über die Entwicklung der damaligen Zeit, auch wie er selbst aktiver Rennfahrer wurde, folgendes: „Die ersten Rennwagen wurden von Wilhelm Maybach konstruiert und sämtliche unter meiner Leitung montiert. Sie wurden auch von mir probegefahren. Meine weitere Aufgabe bestand darin, die Fahrer mit den Wagen vertraut zu machen und auch den Rennfahrern, z. B. Jenatzy, die notwendigen Anleitungen zu geben. Dabei kam auch für mich, wie man so sagt, mit dem Essen der Appetit, und ich entschloss mich, selbst Rennen zu fahren, und ich entschloss mich, selbst Rennen zu fahren. Meine ersten Schritte diesbezüglich bei der Direktion waren wenig erfolgreich, denn Herr Kommerzienrat Fischer konnte durchaus nicht einsehen, weshalb ich überhaupt Rennen fahren wollte, und Maybach meinte sogar, entweder sei ich Rennfahrer oder Meister, aber nicht beides gleichzeitig. Zunächst kam, wie so oft im Leben, ein  Kompromiss zustande, indem ich das Angebot Adolf Daimlers, mir 40 Mark mehr Gehalt zu geben, wenn ich auf das Rennfahren verzichte, vorerst annahm.

Mit dieser Zwischenlösung war jedoch mein einmal gefasster Vorsatz noch lange nicht erledigt und da ich nebenbei auch die Organisation der Rennen zu besorgen hatte, kam ich immer mehr zu der Ansicht, dass ich mich endlich einmal dem Rennsport widmen müsse. Im Jahre 1905 wagte ich den zweiten entscheidenden Vorstoß und da sich dabei wieder die gleichen Einwände bemerkbar machten, war ich nahe daran, um meine Entlassung zu bitten und brachte diese Absicht in der Unterhaltung auch zum Ausdruck. Als Ergebnis konnte ich den Bescheid mitnehmen, dass man mich lieber Rennen fahren als gehen lassen wolle und nachdem ich mir noch die Zusage hatte geben lassen, dass ich nun selbstverständlich sämtliche Rennen bestreiten dürfe, hatte ich vorerst mein Ziel erreicht. Mein erstes Rennen war das belgische Ardennen-Rennen am 23 August 1906. An diesem nahmen neben mir die Mercedesfahrer Mario und Jenatzy teil. Die beiden fuhren an einem Sonntag weg zum Training, während ich am Montag folgte. An der Grenze angekommen wurde ich angehalten und verhaftet mit der Begründung, ich hätte am Vortag eine Frau totgefahren. Ich musste 2 Tage in Haft bleiben bis der Nachweis erbracht war, dass ich erst am Montag abgefahren bin. Dann erst konnte die Weiterreise angetreten werden und das Training beginnen. Am Donnerstag vor dem Rennen stellte sich das erste Unheil dadurch ein, dass mir die Kolbenstange in Folge eines Lagerschadens durch das Gehäuse schlug. Ich hielt Jenatzy, der vorbeikam an und als ich ihm den Defekt erklärt hatte meinte er jetzt sei für mich das Rennen vorbei. Dies lag jedoch keineswegs in meiner Absicht und ich erkläre Jenatzy mit aller Bestimmtheit, dass er mir eben an die Hand gehen und sowohl an die Fabrik als auch an den Werkführer Mauthe telegraphieren müsse, damit der im Werk stehende Ersatzmotor zurechtgemacht werde und bei meinem Eintreffen am Freitag früh abholbereit sei. Der Motor war auf der Bremse (Prüfstand) fertig und wurde in 3 Kisten verpackt, so dass ich am Abend den Zug mit den 3 Kisten, die ich als Passagiergut mitführte, zur Rückfahrt benutzen konnte.Aber noch lange waren nicht alle Schwierigkeiten überwunden denn erstens einmal wollte mich in Straßburg der Bahnbeamte dazu bestimmen die 3 Kisten nicht als Passagiergut, sondern auf anderem Wege zu befördern. Erst nach langem Hin und her brachte ich es soweit, dass man es bei der ursprünglichen Beförderungsart beließ. Ich hatte telegrafiert, dass man mich bei meiner Ankunft in Stenaiö abholen sollte. Dort stand tatsächlich auch 2 Wagen bereit. In den meinigen wurden 2 Kisten verladen während die dritte dem anderen Fahrzeug zur Beförderung anvertraute wurde. In unserem Standquartier in Baston wurde sofort mit der Montage des Motors begonnen“ das Gehäuseunterteil, die Kurbelwelle und das Gehäuseoberteil waren bald zusammenmontiert, jedoch fehlte immer noch die dritte Kiste mit den Zylindern. Endlich, nachmittags gegen 2 Uhr als Paul Daimler zu mir kam, löste sich das Rätsel er fragte mich: wissen Sie auch wo die Zylinder sind?  Er klärte mich dann darüber auf dass der Lastwagen mit einem Brassier Rennwagen zusammengestoßen sei und man die Zylinder im Wiesental habe zusammenlesen müssen. Ich musste mich dann auf dringenden Wunsch von Paul Daimler zur Ruhe begeben, um für das Rennen ausgeschlafen zu haben. Als ich aber am anderen Morgen gegen 5 Uhr den Motor laufen hörte, hielt ich es im Bett nicht mehr aus, zog meinen Renndress an und unternahm sofort mit dem wiederhergestellten Wagen eine Probefahrt von 200 Kilometern. Alles war in bester Ordnung.

Auf der Fahrt vom Start von Baston nach Neu-Chateau auf einer Strecke von 15 Kilometern sind mir dann doch 2 Hakenunterfedern gebrochen und ich kam daher ganz knapp zum Start. Dort wurde ich vom Baurat Nallinger mit den Worten empfangen: „ also wo stecken Sie denn“? Aber es war keine Zeit mehr zum Reden so wie ich war musste ich starten. Ich konnte sogar nicht einmal mehr meine Brille herab nehmen. Erst etwa 200 Meter nach dem Start kurz vor der Kurve ließ ich das Steuer los riß die Brille herunter und nahm die Kurve. 3 Runden lang führte ich das Rennen an. In der letzten Runde traute ich jedoch meinem Benzinvorrat nicht mehr und ließ mir daher 25 Kilometer vor dem Ziel 20 Liter einfüllen. Das Tanken geschah damals mittels Schlauch und ich hatte das Pech, das sich der Gummi dieser Schläuche löste und diese Gummirückstände die Benzinleitungen verstopften. Schon nach 5 Kilometern musste ich wieder anhalten, das Schwimmergehäuse abmontieren und die Leitung nachsehen um die Fahrt fortsetzen zu können. Nach knapp weiteren 5 Kilometern war das Steigrohr verstopft, ich musste dieses abmontieren und ausblasen. In scharfer Fahrt legte ich dann noch die letzten 15 Kilometer zurück und konnte das Rennen an achter Stelle beenden. Immerhin hatte ich bei diesem Anfang meiner Rennfahrertätigkeit mit Lautenschlager als Mechaniker-Beifahrer beim ersten Start die schnellste Runde des Tages gefahren und bei den Franzosen einen respektvollen Eindruck hinterlassen, denn die französische Presse nahm Veranlassung mich als „le terrible Salzer acrobat de Mercedes“ zu taufen.  Le terrible heißt ins Deutsche übersetzt etwa der Schreckliche oder der Gefürchtete.“

Bei einer Geschwindigkeitsprüfung über 100 Kilometer ebenfalls in seinem ersten Rennjahr wurde Otto Salzer von 40 gestarteten Wagen Dritter. In einem Pressebericht ist zu lesen „Otto Salzer war der geborene Rennfahrer.  Der Mann mit der raschen Auffassungsgabe, mit den gesunden Nerven, mit der eisernen Kaltblütigkeit und mit der psychischen Kraft, die die Vorbedingungen für einen Erfolg waren.

Im Jahr 1907 nahm Salzer an der Kaiserpreisfahrt im Taunus am 13 und 14 Juni teil. Am Start waren 40 Wagen. Er klassierte sich im Auswahlrennen über 236 Kilometer als Sechster für den Endlauf. Am zweiten Tag im Entscheidungslauf über 472 Kilometer konnte er als Neunter das Rennen beenden. Einen Monat später beteiligte sich Salzer beim großen Preis von Frankreich wo er zwar kein Glück hatte, sich aber wieder durch sein schneidiges Fahren hervortat (an führender Stelle in der 10. und zugleich letzten Runde musste er aufgeben, die Motoraufhängung war gebrochen). Am 2. September konnte er in der Bergfahrt auf dem Semmering den zweiten Platz belegen. Aus jener Zeit berichtete Otto Salzer, dass es einfach eines Tages hieß:  „Salzer, fahren Sie am Sonntag in Paris“. Man habe sein Köfferchen gepackt, dieses zum Schutz gegen den Regen mit einem Wachstuch umwickelt und auf den Kotflügel geschnallt. Noch nicht einmal eine Landkarte zur Orientierung habe man in die Hand gedrückt bekommen. Beim Rennen sei man so ziemlich auf sich selbst angewiesen gewesen, denn Reparaturen durften nur vom Fahrer oder von seinem mitfahrenden Mechaniker ausgeführt werden. In der ersten Zeit habe man nicht einmal die Räder auswechseln können.

Als Ottos Salzer beim Grand Prix im Jahr 1908 einen neuen Runden Rekord von 126,5 Stundenkilometern aufstellte, stand er mit einem Schlag im Mittelpunkt des gesamten internationalen Kraftfahrsports. Diese runden Rekord wurde als Weltrekord anerkannt. Nun lesen auch die Siege nicht mehr lange auf sich warten. Beim Semmering Bergrennen am 20. September 1908 gab es für Otto Salzer gleich 2 Siege. Den ersten in der Klasse „Rennwagen“  und einen in der „Grand Prix Klasse“.

Ein Jahr später beim Semmering Bergrennen am 18 September 1909 konnte Salzer den Wanderpreis zum zweiten Mal und zwar diesmal in neuer verbesserter Rekordzeit gewinnen. Dieser Rekord blieb 15 Jahre lang ungeschlagen und wurde erst 1924 von ihm selbst gebrochen. Beim Grand Prix am 4 August 1913 wurde er vierter. Ein Jahr später ebenfalls beim Großen Preis von Frankreich am 4 Juli 1914 fuhr Salzer hinter Lautenschlager und Wagner den dritten Wagen des siegreichen Mercedesteams. Am 12 April 1914 wurde im Wiener Tagblatt ein von Otto Salzer verfasster Bericht veröffentlicht, der auch hier mit abgedruckt werden soll:

 „Wie ich trainiere“

 Von Otto Salzer, Stuttgart, Sieger in den Semmeringrennens 1908 und 1909,  Gewinner des Wanderpreises.

Wenn ich auf eine Rennstrecke trainieren soll, fahre ich sie zuerst langsam ab um genauer Kenntnisse von ihr zu bekommen, danach werde ich meine Geschwindigkeit etwas steigern, um festzustellen, welches die zweckmäßigste Übersetzung für meinen Wagen ist. Sobald ich die richtige Übersetzung ermittelt habe, werde ich dazu übergehen meinen Abstand bei scharfen Kurven und dergleichen festzustellen weil ich nur dann gut durch solche Kurven komme, wenn ich genau die Distanz zum Abstoppen des Wagens kenne. Das heißt, wenn ich nicht zu früh aber auch nicht zu spät bremse und Gas abstelle. Weiterhin werden dann die weniger scharfen Kurven daraufhin ausprobiert, mit welcher höchstzulässigen Geschwindigkeit sie genommen werden können. Bei unübersichtlichen Strecken wie sie zum Beispiel gerade auf der Rennstrecke des diesjährigen Grand Prix ziemlich viel vorkommen,  muss ich fernerhin links und rechts von der Chaussee bestimmte Punkte ins Auge fassen und mir merken, nach deren passieren ich abstoppen muss, weil ich mich nicht darauf verlassen kann,  dass die Rennstrecke vor mir sichtbar ist. Sie kann leicht durch Staub,  den die anderen Teilnehmer im Rennen aufgewirbelt haben so verdeckt sein, dass ich andere Merkmale brauche um zu wissen wann dieser oder jener wichtige Punkt heran naht. Ich muss während des Trainings auch meinen Mechaniker genau instruieren, damit er mich beim Rennen wirksam unterstützt. Seine Aufgabe ist es, bei unübersichtlichen Strecken nach rückwärts zu schauen um mir zu melden, wenn etwa Wagen nachkommen;  er muss wissen wie er sich selbst zu verhalten hat, wenn ich den Wagen wegen eines Defekts anhalte. Er muss darüber orientiert sein,  dass er nur ganz dicht am Wagen aussteigen darf, um nicht etwa von vorbeifahrenden Wagen gefährdet zu werden. In dem Moment da ich anfahre und wieder in die Straße einbiege, muss er nach rückwärts schauen, um sich zu versichern, dass kein Fahrzeug von hinten kommt. Dies alles muss beim Training so ausprobiert werden, dass Fahrer und Mechaniker beim Rennen kein Wort miteinander zu reden brauchen. Schließlich ist noch genau festzustellen wie viel Benzin und Schmieröl der Wagen braucht, in welcher Runde etwa aufgefüllt werden muss und wie diese Arbeiten auf Fahrer und Mechaniker aufzuteilen sind. Halte ich zum Beispiel in der 10. Runde wegen Reifenwechsels, so muss gleichzeitig der Mechaniker absteigen und nach dem Benzinvorrat sehen beziehungsweise Benzin auffüllen.  So muss jeder Griff sitzen.

 gez. Otto Salzer

 Nach den Kriegsjahren startete Salzer erstmals wieder am 22. Juni 1921 beim Prager Bergrennen, Dabei zeigte sich, dass er durch die jahrelange Pause nichts von seiner glänzenden Fahrtechnik eingebüßt hatte. Er kam als Erster durchs Ziel und siegte auch in der 100-Kilometer- Gleichmäßigkeitsfahrt. Am 14. August 1921 gewann er in neuer Rekordzeit das Internationale Kurorterennen Karlsbad - Marienbad - Franzensbad.

Am 10. April 1922 konnte Salzer das Rennen Targa - Florio über 432 Kilometer und 6000 Kurven in sieben Stunden 24 Minuten als vierter Sieger beenden. Am 30. April desselben Jahres wurde er beim Prager Bergrennen Erster in der Rennwagenklasse mit der besten Zeit des Tages.

Im Jahr 1923 konnten die Schwa ben die Fahrkunst ihres Landsmanns beim Stuttgarter Internationalen Solitude-Rennen am 17. Juni zum erstenmal bewundern. Otto Salzer siegte, und das heimische Publikum jubelte ihm begeistert zu. Das Jahr 1924 bildete für den nun Fünfzigjährigen den offiziellen Abschluss als aktiver Rennfahrer. Mit vier Siegen und zwei zweiten Plätzen allein in diesem Jahr, auf durchweg schweren internationalen Rennen, konnte er mit einer brillanten Serie seine erfolgreiche Rennfahrer-Karriere beenden.

 

 Erfolge 1924

Prager Bergrennen am 26. April:                             1. Sieger

Solitude-Rennen am 18. Mai:                                    2. Sieger (hinter Merz)

Klausenpaß-Rennen am 16. Und 17. August:             2. Sieger

Semmering-Rennen am 14. September:                  1. Sieger

4. Internationales Ecco-Home-Rennen am 20.9.:      1. Sieger (Gewinner des Großen Goldpokal Wanderpreises  in neuer Rekordzeit)

Schwabenbergrennen am 28. September:               1. Sieger (ebenfalls in neuer Rekordzeit)

Nach einem so siegreichen Rennfahrerabschluß möchten wir doch noch über einige Besonderheiten aus dem erlebnisreichen Alltag Otto Salzers berichten. Am 6. Mai 1899 heiratete er die Weingärtnerstochter Maria Pauline Merz. Es darf dazu gesagt werden, dass sie mit dem damaligen Rennfahrer Otto Merz aus Esslingen nicht verwandt ist. In der Ehe Otto/Maria Salzer wurden zwei Mädchen und vier Buben geboren. Im Jahre 1914 konnte Otto Salzer sich in der Uhlbacher Straße 131 in Obertürkheim ein Haus bauen, in welchem er bis zu seinem Tode wohnte. Von dem Sohn Theodor Salzer war zu erfahren, dass sein Vater sehr viel von der Welt gesehen hat, einmal durch die Teilnahme an den vielen Rennen, die damals auf eigener Achse von Untertürkheim aus mit dem Rennwagen angefahren wurden. Zum andern ist er durch die ihm übertragene jahrzehntelange Wagenablieferung in fast alle europäischen Länder gekommen. Theodor Salzer wusste aber auch noch ganz gut zu berichten, wie besorgt und bedrückend immer die Stimmung war, wenn sich sein Vater vor einem Rennen von seinen Kindern und seiner Frau verabschiedete, waren doch stets große Gefahren mit derartigen Veranstaltungen verbunden, die jedoch Otto Salzer glücklicherweise alle ohne Rennunfall meistern konnte.

 An der Entwicklung lenkbarer Luftschiffe Anfang dieses Jahrhunderts war Otto Salzer am Rande mit beteiligt. 1899 erhielt Graf Ferdinand von Zeppelin zwei 12-PS-4-Zylinder-Motoren für sein  Luftschiff Nummer 1, 1907 für das Luftschiff Nummer 4 zwei Stück 100- PS Mercedes Motoren, mit denen der Graf von Friedrichshafen nach Luzern und über Zürich wieder zurückgeflogen ist. Die Flugstrecke betrug 275 Kilometer.

Am 4. und 5 August 1908 flog Graf Zeppelin mit dem Luftschiff Nummer 4 von Friedrichshafen über Basel, Straßburg, Mainz, Stuttgart (mit Umgebung) und zurück nach Echterdingen. Dabei hat er auch Möglingen, wie im Gemeinderatsprotokoll zu lesen ist, in mäßiger Höhe überflogen. Otto Salzer wurde damals beauftragt, mit einigen Monteuren nach Echterdingen zu fahren um die Daimler Motoren an Bord des Luftschiffes zu warten und einige kleinere Reparaturen vorzunehmen. Das Luftschiff wurde jedoch durch einen Sturm losgerissen und geriet in Brand. Sofort fuhr Otto Salzer mit Chefkonstrukteur Dürr nach Echterdingen um dem Grafen im Gasthof Hirsch die Unglücksnachricht zu bringen. Mit Tränen in den Augen berichtete Salzer später, stieg der Graf in meinen Wagen. Neben ihm saß Dürr. Als wir am Brandplatz ankamen, war nur noch ein verkohltes Gerippe zu sehen. Die einmütigen Huldigungen des deutschen Volkes halfen dem Grafen das Unglück zu überwinden und ein neues Luftschiff zu bauen.

In die Abteilung Wagenablieferung im Werk Untertürkheim kamen viele prominente Personen um bei Otto Salzer ihren Wagen persönlich abzuholen.

1909 kam der König von Bulgarien mit seinen Söhnen.

1924 musste Otto Salzer in Den Haag den Fuhrpark des Deutschen Ex Kaisers Wilhelm II., der dort im Exil lebte, überprüfen. Er hatte als er ankam, den Kaiser beim Holzspalten angetroffen.

1925 war Otto Salzer Leiter der Wagenkolonne, die Mercedes anlässlich des Besuches von Reichspräsident und Generalfeldmarschall von Hindenburg stellte.

Auch viele Amerikaner erschienen, die Otto Salzer gerne mit nach Übersee genommen hätten. Große Verdienstmöglichkeiten wurden ihm dabei angeboten die er jedoch ablehnte. Am 5 Oktober 1936 konnte Otto Salzer mit 62 Jahren seine 40-jährige Betriebszugehörigkeit feiern. Als er 65 wurde ging er nicht in Pension, sondern blieb seiner Firma für die er immer gearbeitet und gekämpft hatte, treu. Direktor Doktor Kissel, Vorstand der Daimler Benz AG, hatte ihn überredet, nach seinem 65. Geburtstag weiterhin die Leitung der Wagenablieferung in Untertürkheim zu führen und dies tat Otto Salzer auch solange er es gesundheitlich vermochte.

Im Dezember 1943 wurde Otto Salzer krank. Nun war er endgültig gezwungen seine Arbeit bei Daimler-Benz aufzugeben. Am 7 Januar 1944 starb er im Alter von 70 Jahren.

 Hermann und Adolf Seybold